Mein Name ist Afra (German Edition)
seiner Frau nicht vollständig verbieten, und als ich meine beiden Kinder zur Welt brachte, stand Richlint mir wie die anderen Frauen nach alter Sitte bei und blieb für einige Tage in Pitengouua. Sie hatte bald erkannt, wie sie Chuonrad ausweichen oder seine Vorschriften umgehen konnte, und so fehlte sie bei keiner Geburt und bei keinem Krankheitsfall in unserer Gegend, denn das war Frauensache, und sie gab sich überaus fromm und christlich und versäumte keinen einzigen Beichttag in unserer kleinen Kirche. Nachdem sie sich mit den Gewohnheiten ihres Mannes im Haslach besser auskannte und genau wußte, wie lange er und Utz mit den Flößern unterwegs oder bei Gerichtssitzungen waren, ritt sie manchmal auf einem klapprigen Ackergaul für einen ganzen Tag zu mir ins Dorf oder zu Justina in den verfallenen Gutshof, und die alte Hedwig verriet ihre Sohnesfrau nicht an die Männer.
Nach unserer Heirat fiel es Richlint und mir schwer, die feste und liebevolle Freundschaft zwischen uns weiter aufrechtzuerhalten. Wir lebten nicht mehr zusammen und sahen uns nicht mehr jeden Tag, und vor allem in schneereichen Wintern konnten lange Wochen und Monate ohne jedes Treffen, ohne irgendeine Nachricht von der anderen vergehen. Richlint war draußen im Haslach ganz auf sich allein gestellt, denn sie hatte dort keine vertrauten Menschen und außer Hedwig auch niemanden, der ihr bei der Hofführung zur Seite stand, und die Gemeinschaft mit Chuonrad stand vom ersten Augenblick an unter einem schlechten Stern. Im Gegensatz zu meiner Freundin konnte ich in meiner gewohnten Umgebung und bei den mir von Kindesbeinen an vertrauten Menschen bleiben, und wenn mir auch die Mutter und die Schwester vom Tod geraubt waren, so gab es doch noch meinen Vater Wezilo und einige Mägde und Knechte, die seit jeher zur Familie gehörten. Vor allem aber war Leonhard ein ganz anderer Mann als sein ältester Bruder, offen, heiter und voller Lebensfreude, und ich verschloß mich ihm nicht, wie es Richlint mit Chuonrad tat, sondern begann ihn schon nach kurzer Zeit von Herzen zu lieben. Diese Liebe zu meinem Mann entfernte mich noch weiter von meiner Freundin, denn sie konnte es nicht verstehen, daß ich gerne mit Leonhard zusammen war, obwohl mich keiner um meine Zustimmung zu dieser Eheschließung gefragt hatte, und sie schüttelte nur verständnislos den Kopf, als ich mir trotz meiner großen Angst vor dem Kindbett von Leonhard einen Sohn wünschte.
Die ersten Jahre als verheiratete Meiersfrau in unserem Dorf strahlen hell in meiner Erinnerung, denn unser Leben war in dieser Zeit friedlich und reich an Freude und Glück. Meine Frauenarbeit in Haus und Hof war mir nicht zuviel, denn ich war jung und kräftig und hatte einiges von meiner Schwester gelernt, und Leonhard, der nicht faul und unfähig wie Walburc´s Mann Bruno war, übernahm die Aufgaben meines alten Vaters gerne und ohne zu zögern.
Wenn ich die Kühe in ihrem Viehstand molk, summend am Webstuhl im Keller saß oder im abgelegenen Gemüsegarten mit der Hacke die weiche Erde lockerte, dann freute ich mich schon auf das Abendmahl, wenn Leonhard verschwitzt und müde von seinem Arbeitstag mit meinem Vater am Tisch saß und den Stand der Felder, die Schweinezucht oder den nächsten Markt besprach. Wenn das Essen aufgetragen war und frisches Met in den Bechern schwappte, dann setzte ich mich zu den Männern und redete fleißig mit, und mir war leicht und warm ums Herz, denn in jedem Blick und in jeder Geste war die Liebe dieser beiden zu mir zu spüren. Nachdem ich die Schüsseln und Töpfe verstaut hatte, band sich Leonhard seinen Lederschurz um, richtete den Eichenklotz und holte sein Werkzeug hervor, den Beitel zum Ausstemmen, das Schnitzmesser mit der Eisenklinge und dem Griff aus Horn und den kleinen Hammer aus Holz, den Knüpfel, denn er schnitzte und formte für sein Leben gern, und unter seinen schmalen, geschickten Fingern entstanden wunderliche, anrührende Figuren und reich verzierte Möbelstücke. In der kleinen Drechslerwerkstatt, die er sich auf dem Hof eingerichtet hatte, fertigte er einen Hocker aus Rotbuche für mich, wie ihn schöner auch Liutbirc in Dornau nicht ihr eigen nannte, mit fein gedrechselten Beinen und kugeligem Knauf, und wenn er abends an seinen kleineren Figuren werkelte und langsam im Holz Gesicht und Ausdruck entstand, dann wich ich nicht von seiner Seite und schaute zu, ohne müde zu werden.
Wezilo ließ uns meistens allein, wenn Leonhard mit dem Schnitzen
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