Mein Name ist Toastbrot (German Edition)
die halbe Welt in Bewegung, da sie durch Helenes Pflege lediglich den Pflichtteil des Erbes erhalten sollten. Bei einer polizeilichen Untersuchung stellte man fest, dass tatsächlich am Morphiumtropf manipuliert wurde und dies zum Tode geführt haben musste.“
„Warum hat sie denn das nicht wieder so eingestellt, dass man das nicht mitkriegt?“
„Das ging nicht, da der Zähler die Dosierung protokollierte.“
„Ok. Trotzdem blöd. Sie hätte einfach das abfließende Morphium stauen, und dann als Ganzes injizieren können.“
„Jetzt klugscheiße nicht rum. Da ich damals unter 14 noch nicht strafmündig war, im Testament auch nicht begünstigt wurde, inszenierte meine Familie die Geschichte. Ich hätte den Tropf erhöht, da ich die Schreie meines Großvaters nicht mehr ertragen hätte. Man erklärte mir, was ich genau der Kripo erzählen sollte und wies mich in die Bedienung des Tropfenzählers ein. Ich zeigte also den Beamten wo, und wie weit ich an dem Ventil gedreht hatte. Da die Kripo aufgrund des speziellen Falls von moralisch tolerierbarer Sterbehilfe kein wirkliches Interesse an einer Schuldzuweisung hatte, glaubte man mir ohne Widerrede und leitete erst gar kein Verfahren ein.“
„Ja aber warum hast du dich da überreden lassen?“
„Das ist ganz einfach, ich war zum einen ja wirklich froh, dass der Alte weg war, ich freute mich etwas in den Augen meiner Eltern Gutes tun zu können und war einfach klein und naiv.“
„Ok. Kann ich nachvollziehen.“
„Ein halbes Jahr später wurde bei meinem Vater Knochenkrebs diagnostiziert. Das Ganze ging von vorn los mit dem Unterschied, dass er schon nach wenigen Monaten mit gellenden Schreien anfing und mich unzählige Male nachts aus dem Schlaf riss. Helene war inzwischen nicht mehr sie selbst und fiel auch als Mutter vollständig aus. Alles, was sich änderte, war das Kästchen am Kalender, das sich weiter und weiter schob. Da man mich instruiert hatte, wie man den Morphiumtropf bediente, drehte ich eines Nachts die Dosis empfindlich hoch. Mein Vater schlief ein und wachte nicht mehr auf. Zur Anzeige kam es durch Helene, die mich als Vatermörder verstieß. Inzwischen war ich strafmündig und ich wurde in ein Heim gesteckt. Ein Gutachter arbeitete sich nach dem anderen an mir ab und schließlich wurde eine Depersonalisationsstörung mit massiver Somatisierung festgestellt. Das Verfahren wurde eingestellt und ich in eine Klinik eingewiesen.“
„Ist die Somatisierung inzwischen weg?“
„Nein. Ich mach mir diesbezüglich auch keine Hoffnungen. Mit dem muss man wohl leben.“
„Wie somatisierst du denn?
„Taubheitsgefühle, Sehstörungen und Harndrang. Das sind nur einige. Es wäre vermutlich einfacher aufzuzählen, was ich noch nicht hatte.“
„Du liebe Zeit. Sobald du mich lässt, werde ich dich gesundknuddeln.“
„Zurück zu unserem Thema. Vor einem Jahr verlegte man mich in eine Anstalt für sehr harte Jungs, wo es alles andere als bilderbuchhaft zugeht. Nach zwei Monaten bin ich abgehauen und lebte bis kurz vor meinem Einzug bei dir ohne festen Wohnsitz. Dort lernte ich die unterschiedlichen Milieus kennen, von denen ich vorher sprach.“
„Wie war das mit der Schule und wie konnte man dichüberzeugen, in die Wohngemeinschaft zu ziehen?“
„Die Schule machte ich in der Klinik über Fernlehrgänge weiter und habe dann die Aufnahmeprüfung für das Gymnasium bestanden. Hätte ich mich nicht für die Wohngemeinschaft entschieden, wäre ich wieder im Heim gelandet, was ich absolut vermeiden wollte.“
„Das ist ne krasse Geschichte. Zum Glück hat man dich aufgegriffen, sonst würde ich dich gar nicht kennen.“
„In der Tat. Jetzt bist aber du dran. Ich fühl mich inzwischen schon ganz nackt.“ Ich erzählte ihm meine Geschichte, und als wir die Flasche Whiskey geleert hatten, brachen wir in Richtung unserer Wohnung auf.
„David, darf ich zu dir ins Bettchen kommen?“
„Ja, komm her.“
Das Kuscheln am gestrigen Abend mit Conny war traumhaft, zärtlich und unbeschreiblich.
Am anderen Morgen, gegen 11:00 Uhr, wurde ich von unserem Schulleiter aus dem Unterricht geholt und ins Sprechzimmer gebracht. Am Ort des Grauens hatten bereits zwei Herren in zivil Platz genommen und kurze Zeit später traf auch Conny ein.
„Meine Herren, wir sind von der Kripo. Uns liegt eine Anzeige gegen sie vor, die von ihrem Lehrer Herr Kaspar bei uns eingereicht wurde. Sie verstehen sicher, dass wir die Angelegenheit prüfen
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