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Mein Name war Judas

Mein Name war Judas

Titel: Mein Name war Judas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. K. Stead
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Probleme begannen damit, dass der römische Statthalter Florus verlangte, einen Teil des Tempelgolds, das dort in Kellergewölben lagerte, als Steuer an den römischen Kaiser abzuführen. Zunächst wurde das Gold verweigert, doch dann beugten sich die Priester dem Druck und der Gewalt der Römer. Das jedoch war ein Sakrileg, das die Juden in ihrem Stolz traf. Es kam zu Aufständen, die Menschen marschierten mit Parolen durch die Straßen, die sich sowohl gegen die Priester als auch gegen die Römer richteten: »Kein Herr – nur Gott!«
    Florus befahl seinen Truppen, gegen die Aufständischen vorzugehen, viele wurden verwundet, manche getötet. Dann ließ er zusätzliche Truppen aus Cäsarea nach Jerusalem verlegen, und um deutlich zu machen, dass er und nur er die Stadt beherrschte, verlangte er von den Einwohnern, die neue Brigade mit dem sogenannten Großen Salut zu begrüßen.
    Dieser Große Salut ist ein Zeremoniell – durchaus schön anzusehen, wenn einem dabei nicht der Stolz gebrochen wird – bei dem die Stadt die römischen Truppen begrüßt, und die Truppen erwidern die Ehrung, indem sie die Stadt begrüßen. In diesem besonderen Fall aber ordnete Florus zur Strafe an, dass die Stadt der Truppe salutieren, diese den Salut aber nicht erwidern solle.
    Tig war dabei, als die römischen Soldaten zu den bedrohlichen Klängen von Trommeln durch die Straßen marschierten. Überall entlang des Weges waren Priester und Mitglieder der einflussreichsten jüdischen Familien auf erhöhten Podien in den vordersten Reihen der Zuschauermenge platziert, sodass man sehen konnte, wie sie sich verbeugten, applaudierten und Palmwedel schwangen, wie man es von ihnen erwartete, während die Soldaten reglos geradeaus starrten und die Huldigungen nicht einmal wahrzunehmen schienen. Die Zuschauer in den hinteren Reihen wurden immer unruhiger, schimpften und fluchten und konnten sich schließlich nicht mehr beherrschen. Sie begannen, ihren Protest laut herauszuschreien, und Tig schrie mit: »Kein Herr – nur Gott!« Manche hatten verfaulte Früchte und Eier mitgebracht und bewarfen die Soldaten damit. Die Römer in ihren glänzenden, klirrenden Rüstungen wurden von oben bis unten beschmutzt und gaben ein jämmerliches Bild ab, das den ganzen Effekt der Parade verdarb.
    Priester und Sanhedrin auf ihren erhöhten Zuschauerplätzen drehten sich zu den einfachen Leuten um und forderten sie auf, das zu unterlassen. Sie mahnten zur Ruhe und Ordnung und warnten vor den Konsequenzen. Daraufhin wurden auch sie beworfen. Die Menge lachte, pfiff und johlte. Junge Männer begannen loszulaufen und Zäune umzustoßen, Zweige von Bäumen abzubrechen, Fahnenmasten aus den Verankerungen zu ziehen und Kutschen zu beschädigen, manche rissen sogar Fliesen und Pflastersteine aus dem Boden. Würdenträger und Priester wurden aus dem Weg gestoßen und Wurfgeschosse jedweder Art auf die nun im Rückzug begriffenen Soldaten geschleudert.
    Für Tig, der wie wir alle die römischen Besatzer ablehnt, sich aber nichts anmerken ließ, war es ein aufregendes Erlebnis, das ihn zugleich ängstigte.
    Dieses Mal gelang es den Römern nicht so leicht, den Protesten Einhalt zu gebieten. Sie sammelten sich vor der Antoniaburg und stürmten dann in die Stadt zurück, um das Volk zu bestrafen, das sich aber in alle Winde zerstreute. Im ersten Moment hatte es den Anschein, als sei die Ordnung wiederhergestellt, in Wahrheit aber begann das Volk jetzt, ganze Stadtteile unter seine Kontrolle zu bringen. Binnen einer Woche mussten die Römer lernen, dass sie diese Viertel meiden sollten, außer sie kamen in Kampfformation. Eine Gruppe von Rebellen (»Terroristen«, wie Florus sie bezeichnete), die sich die Dolchträger nannten, schickte einzelne Männer mit Messern, die sie unter den Hemden versteckt hielten, an belebte Plätze, wo sie ihre Klingen still und stumm einem Soldaten zwischen die Rippen stießen, der auf dem Basar etwas einkaufte, einem Händler, der sich von den Römern bestechen ließ, einem Bürger, der als Informant verdächtigt wurde, oder gar einem Priester, der als Kollaborateur galt. Wenn derlei passierte, wichen die Umstehenden erschrocken zurück, nur das Opfer lag zuckend auf dem Boden und verblutete langsam.
    Gerüchten zufolge wurden wohlhabende Kollaborateure und bezahlte Spione gefasst und vor ein Volkstribunal gestellt, irgendwo im Labyrinth der Unterstadt, wo die Armen wohnten, und dort exekutiert. Anschließend wurden die Leichen in die

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