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Mein Name war Judas

Mein Name war Judas

Titel: Mein Name war Judas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. K. Stead
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Gräben außerhalb der Stadtmauern am Fuße des Ölbergs geworfen.
    Tig reiste so bald wie möglich ab, aber unterwegs wurde er an den zahlreichen römischen Kontrollpunkten aufgehalten, und nur die Tatsache, dass er Grieche war, keinerlei Verbindung zu jüdischen Einwohnern von Jerusalem und kein Interesse an ihrer Revolte hatte, ermöglichte ihm die Weiterreise. Die Handwerker, die er eingestellt hatte, sollten jeder für sich zu uns reisen, sobald sich ihnen die Gelegenheit bot. Einer von ihnen ist bis heute nicht gekommen. Zwei andere, jeder mit einer interessanten Geschichte, haben es irgendwann geschafft, die Stadt zu verlassen, und arbeiten seither in unseren Werkstätten. Sie sagen, der Aufstand sei kaum mit Gewalt zu beenden, und von allein abebben werde er auch nicht. Doch wie soll er von Erfolg gekrönt werden, solange die Juden untereinander uneins sind, die Reichen die Armen bekämpfen, eine Gruppierung die andere?
    Seit damals erreichen uns nur noch sporadisch Neuigkeiten. Einmal hieß es, Agrippa  II ., der jüngste Nachfolger Herodes’, wolle zwischen Römern und Volk vermitteln, aber daraus scheint nichts geworden zu sein. Als Nächstes hörten wir, Cestius Gallus, der römische Statthalter von Syrien, sei mit einem großen Heer unterwegs nach Jerusalem. Doch kurz darauf wurde von ihrem Abzug berichtet, sie hatten nichts, aber auch gar nichts in Jerusalem bewirken können. Dann versuchte es Vespasian. Von ihm hieß es, er habe die meisten Dörfer und Städte Judäas und Galiläas unter seine Kontrolle gebracht und gerade den Angriff auf Jerusalem starten wollen, als der Tod Kaiser Neros aus Rom gemeldet wurde. Man wusste nicht, wer ihm nachfolgen und welche Strategie der neue Kaiser verfolgen würde.
    Also wurde der Angriff abgeblasen.
    Heute ist Vespasian selbst Kaiser. Er ist nach Rom zurückgekehrt und hat seinen Sohn Titus mit einem großen Heer nach Jerusalem entsandt. Es hat die Stadt eingekesselt und belagert sie seither.
    Ich versuche mir einzureden, mir sei egal, was weiter geschieht, aber längst vergessene Gefühle leben auf, wenn ich daran denke, was ich dort erlebt habe – meine panische Angst vor Kreuzigungen, meine Abscheu gegen den grausamen, selbstgerechten Anspruch Roms, die ganze Welt zu beherrschen und sich die Menschheit untertan zu machen. Sogar meine alte Begeisterung für die Stadt und ihren Tempel leben wieder auf. Hätte ich die Angewohnheit zu beten, das Wohlergehen Jerusalems stünde ganz oben auf der Liste meiner Fürbitten, aber ich bin davon überzeugt, dass Gott, falls es Ihn denn gibt, auch dagegen taub wäre.
    Gestern kam wieder ein Anhänger der Jesussekte durch unseren Ort. Ein älterer Mann, vielleicht sogar in meinem Alter oder etwas jünger. Er ist blind und wird von einem jüngeren Mann begleitet und umsorgt. Wie neuerdings alle Anhänger dieser Sekte bezeichnet er sich als »Christ«. Diesen Namen haben sie angenommen, weil sie glauben, dass Jesus tatsächlich der Gesalbte, auf Griechisch Christus, der Messias war, den die Heiligen Schriften von alters her ankündigen. Der alte Mann hatte auf dem Marktplatz vor einer kleinen, aber sehr aufmerksamen Menge gepredigt und die alte Argumentation wiederholt: Jesu Autorität und Göttlichkeit sei nicht allein durch die Schönheit und Ernsthaftigkeit seiner Lehre bewiesen, sondern vor allem durch die Wunder, die er vollbracht habe, besonders durch das größte von allen: dass er Tote auferwecken konnte.
    Ich lud diesen Prediger und seinen Gehilfen zum Essen ein und bot ihnen einen Schlafplatz an; beide nahmen an, wenn auch recht undankbar, wie ich fand. Sie schienen es für das Mindeste zu halten, das ihnen zustand. Ich frage mich, ob ich damals als Jünger Jesu auch so war. Ich hoffe nicht, aber vielleicht liegt Undankbarkeit in der Natur des Evangelisten, weil er sich für jemanden hält, der den Menschen ein großes Geschenk macht.
    Er sagte, ich solle ihn Ptolemäus nennen, diesen griechischen Namen habe er sich selbst gegeben. Ansonsten war er mit Selbstauskünften sparsam. Ich fragte ihn, was es Neues über Jerusalem zu berichten gebe, aber er wusste nur, dass die Belagerung noch andauerte und man in Kürze mit einem Angriff rechnete. Das Schicksal der Stadt schien ihm ziemlich gleichgültig zu sein. Er sagte, vielleicht sei es Gottes Wille, Jerusalem zu zerstören, da die Stadt Seinen Sohn zum Tode verurteilt hatte. Er sei jedoch entsetzt gewesen, als er hörte, dass Jesu jüngerer Bruder, Jakobus, der

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