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Mein Name war Judas

Mein Name war Judas

Titel: Mein Name war Judas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. K. Stead
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als die Söhne des Donners bezeichnete.
    In den ersten Morgenstunden weckte mich die Stimme Maria Magdalenas aus einem leichten Schlaf. Sie redete beruhigend auf Jesus ein und sang ihm dann ein galiläisches Volkslied vor, das er und ich aus unserer Kindheit kannten. Ich stand auf und ging in den Garten. Auf dem Rückweg ins Haus kam ich am Fenster der beiden vorbei. Jesus lag bäuchlings auf dem Bett, und Maria Magdalena massierte seine Schultern, während sie weitersang. Ich weiß nicht, ob ihm der Gesang half, aber auf mich hatte er eine beruhigende Wirkung, und da die Nacht noch nicht ganz um war, legte ich mich wieder hin und versank zum ersten Mal in dieser Nacht in tiefem Schlaf.
    Jakobus rüttelte mich wach. Es war heller Tag, und alles um mich herum war in Bewegung. Menschen kamen und gingen, aus dem Garten und den dahinter liegenden Feldern waren Stimmen und geschäftiges Treiben zu hören. Jakobus sagte, wir sollten in die Stadt zurückkehren, und zwar alle. Unterwegs sollten wir so viele Menschen um uns scharen wie möglich. Jesus habe eine Vision gehabt, in der ihm befohlen worden sei, soweit er, Jakobus, es verstanden habe, in die Heilige Stadt zurückzukehren und ihr seinen Stempel aufzudrücken. »Gestern, das waren nur Worte«, zitierte Jakobus Jesu Worte. »Heute müssen Taten folgen.«
    Ich fragte, welche Taten.
    »Das werden wir dann schon sehen«, sagte Jakobus auf diese abfällige Art, mit der er mich behandelte, seit ich in Ungnade gefallen war. Genauso gut hätte er noch hinzufügen können: Frag nicht so dumm, wenn du keine dummen Antworten bekommen willst.
    Draußen im Garten starrten einige Jünger den Feigenbaum an, den Jesus am Vortag verflucht hatte, und versuchten zu erkennen, ob er schon am Absterben war. Sie waren sich einig, dass er die Blätter hängen ließ und dringend Wasser brauchte. Doch war das neu, oder hatte der Baum gestern schon so ausgesehen? Petrus, Johannes und Bartolomäus waren sich sicher, dass Jesu Fluch Wirkung zeige. Thomas war sich unsicher. Matthäus sagte, er könne keine Veränderung erkennen – »bis jetzt«, wie er eilig hinzufügte, um nicht als Ungläubiger dazustehen.
    Zum Frühstück brach Jesus für uns das Brot, segnete es, sprach ein Dankgebet und reichte jedem von uns seinen Anteil. Es war ein Moment andächtiger Stille, in dem jene geheime, mysteriöse Macht, die er über mich und alle anderen hatte, erneut spürbar wurde – umso mehr, als davor und danach allgemeine Hektik herrschte. Wir aßen schweigend, ließen einen Krug Ziegenmilch kreisen und beteten gemeinsam: »Unser Vater im Himmel, geheiligt werde dein Name …« Dieses Gebet hatten wir schon oft gesprochen, aber an diesem Morgen schien es eine ganz besondere Bedeutung zu haben und voller verborgener Botschaften zu stecken.
    Als wir uns auf den Weg machten, strömten die Menschen, die draußen auf dem Felde kampierten, auf die Straße und schlossen sich uns an. Die Ersten drehten sich zu den Nachzüglern um und drängten sie, sich zu beeilen. Das Ganze hatte einen völlig anderen Charakter als am Vortag. Heute war alles mit einer ungeheuren Bedeutung aufgeladen und musste so schnell gehen, als dürften wir keine Zeit verlieren. War unser Einzug in die Stadt am Vortag wahrhaft triumphal gewesen, glich er heute eher einem Angriff. In seiner Abendpredigt hatte Jesus vom Niederreißen des Tempels gesprochen, und unser neuerliches Erscheinen wirkte so, als wollten wir damit nun beginnen. Auch heute traten die Einwohner aus ihren Häusern, um uns zu begaffen, aber im Gegensatz zum Vortag herrschte keine Volksfeststimmung. Heute begegneten uns die Menschen mit Furcht. Kinder, die gestern neben uns hergerannt waren, uns Bemerkungen zugerufen und uns applaudiert hatten, waren heute still und wurden von ihren Müttern festgehalten. Allen voran marschierte Jesus, ernst und eindrucksvoll – ganz der selbsternannte Prophet aus der Provinz, der gekommen war, um der Stadt den Weg zu weisen.
    Auf derselben Route wie am Vortage umrundeten wir den Ölberg und betraten die Stadt durch das östliche Tor, aber dieses Mal stiegen wir hinter Jesus, der so unbeirrt ausschritt, als befolge er göttliche Befehle, die steilen Stufen zum großen Innenhof des Tempels hinauf, an den ich mich aus meiner Kindheit so lebhaft erinnerte.
    Nichts hatte sich verändert. Es roch nach Holzfeuern, Blut, Exkrementen und dem Fleisch zahlloser Opfertiere. Noch lebende Tiere blökten, zwitscherten und brüllten, die

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