Mein neues Leben als Mensch (German Edition)
nächsten Morgen um acht Uhr standen meine Kinder am Fenster und scannten den Garten, aber es war nichts zu sehen. Carla weckte mich: «Los, geh raus und versteck die Sachen, damit wir sie suchen können.» Ich antwortete, dass ich nicht der Osterhase und dass dieser aber bestimmt schon da gewesen sei. Wir standen auf, und ich ging mit meinem vor Aufregung fiebrigen Sohn und seiner abgeklärten Schwester in den Garten. Ich hatte in früheren Jahren die Gaben immer an denselben Ecken schlampig verborgen, dort hatte es gefunkelt, und die Kinder waren ausgerastet. Diesmal strich mein Sohn planlos durch Beete und Sträucher, fand aber nur ein gekochtes Ei und ein Buch, und das war für Carla. Diese entdeckte zwar einen Schokohasen und eine verrostete Grillzange, nicht jedoch die versprochenen Süßwaren. Sara und ich suchten mit. Wir suchten systematisch und wir suchten mit zunehmender Verzweiflung. Nach einer Stunde rief ich Antonio an: «Wo ist das ganze Zeug, das ich hinter der Mülltonne deponiert habe?»
«Habi guuuut versteckte. Musste du suchen.»
Mein Schwiegervater hatte seinen österlichen Auftrag sehr ernst genommen und die Sachen nicht einfach ein bisschen versteckt – sondern ganz nach süditalienischer Art quasi verschwinden lassen.
Seitdem ist bei uns das ganze Jahr über Ostern, denn immer wieder mal taucht etwas auf. Eier in der Regenrinne, Schokolade zwischen Kaminhölzern, unter der Erde, im Rasenmäherbenzinkanister. Und immer gibt es ein großes Hallo.
Anfang Dezember habe ich dann auch meinen Rechen gefunden. Ich hätte ihn im Oktober gebraucht, als die Blätter von den Bäumen fielen. Aber er war nirgends aufzutreiben gewesen. Eines Tages bemerkte Nick, dass etwas ganz oben in der kahlen Linde festsaß. Ich identifizierte meinen Rechen. Und dann fiel mir ein, dass der Rechen immer hinter der Mülltonne gestanden hatte, bevor er verschwunden war. «Wie ist der denn da oben hingekommen?», fragte Nick. Ich antwortete wahrheitsgemäß: «Das war der Osterhase, mein Sohn. Das war der Osterhase.» Nick war extrem beeindruckt.
Lost in Småland
Statistisch betrachtet besitzt jeder Deutsche ungefähr sieben Gegenstände, die von Ikea stammen. Schätze ich jetzt mal und greife wahrscheinlich viel zu tief. Bei zweiundachtzig Millionen Deutschen wären das ja nur 574 000 000 Fräck-Spiegel, Pax-Schranktüren und Boholmen-Einbauspülen. Unser Land ist jedenfalls flächendeckend ikeaisiert. Inzwischen sind sogar Häuser der Marke im Angebot und bald auch Ehepartner, damit niemand alleine zwischen Bjursta (Tisch) und Malm (Bett) leben muss. Das weibliche Partner-Modell «Fru Holle» ist blond, und wenn man es falsch zusammengebaut hat, kann man es wieder zurückgeben. Selbst wenn ein paar Schrauben fehlen.
Manchmal habe ich den Eindruck, unser Sohn Nick ist ebenfalls ein Produkt von Ikea, eines mit Heimweh, denn er möchte immer wieder dorthin zurück. Ich kann mich zwar nicht erinnern, ihn vor siebeneinhalb Jahren in brauner Pappe verpackt aus einem Hochregal und über einen Warenscanner gezerrt zu haben, aber ihm gefällt die Vorstellung, ein schwedischer Pinocchio zu sein. Er will ständig zu Ikea, und manchmal tun wir ihm den Gefallen und fahren hin.
Dabei möchte er genau genommen nicht zu Ikea, sondern ins Småland, so heißt die Kinderaufbewahrungsstelle bei Ikea. Alle Kinder lieben Småland. Und alle Eltern auch. Ich habe schon von Leuten gehört, die ihre Kids dort vormittags hinbringen, danach ein paar Stündchen ins Museum fahren oder Einkäufe in der Stadt besorgen, um auf dem Heimweg ihre zerspielten Nachkommen einzusammeln. Machen wir natürlich nicht. Wir bleiben hübsch im Möbelhaus, während Nick eine Gang gründet und die Angestellten in die Frührente treibt.
Nachdem wir ihn neulich am Småland-Eingang, einem nur für Kinder begehbaren riesigen Blaubeerkorb, abgegeben hatten, besuchten wir zunächst das Restaurant. Dann stromerten wir durch die Küchenabteilung und zogen alibimäßig ein paar Schubladen auf. Da war eine halbe Stunde rum. Wir baten einen Kundenberater, eine zwölf Meter lange Küchenzeile für uns zu konfigurieren, was unter den missbilligenden Blicken wartender Kunden mit Kaufabsicht noch mal etwa zwanzig Minuten dauerte. Dann lagen wir eine Weile Probe und sahen uns bei den Topfpflanzen um. Eine gute Stunde war bis hierhin vergangen. Wir blätterten gerade in den Bilderrahmen, als aus dem Lautsprecher eine weibliche Stimme kam: «Der kleine Nick möchte
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