Mein Offizier und Gentleman
der Mann vorging: Mit geschickten Fingern sicherte er sich durch Taschenspielertricks die richtigen Karten, wobei er mit fortschreitender Stunde und zunehmender Trunkenheit immer sorgloser wurde, sodass Jack ihn leicht hätte entlarven können, doch er hielt sich zurück. Wenn der Grund für Davids Ermordung – Unstimmigkeiten um ein Glücksspiel – nur vorgeschoben war und etwas ganz anderes dahintersteckte, wollte er heraus fi nden, um was es wirklich ging. Aus diesem Grund ließ er sich, entgegen seinem früheren Vorsatz, Collingwood auf fl iegen zu lassen, um eine beträchtliche Summe prellen. Bis er bereit war zuzuschlagen, musste er den Schuft bei Laune halten.
„Sie sind heute Abend zu gut für mich“, sagte er leichthin und gähnte. „Spielen wir ein anderes Mal?“
„Jederzeit.“ Collingwoods höhnisches Grinsen bewies, für wie dumm er Jack hielt. „Stets zu Diensten, Harcourt.“
„Nun, dann nächste Woche zur gleichen Zeit?“
„Ja, nur zu! Wenn Ihre Börse es aushält? Vielleicht sollten wir um höhere Einsätze spielen, damit Sie Ihre Verluste rascher ausgleichen können?“
„Warum nicht?“, sagte Jack lässig. Er stand auf. „Dann gute Nacht.“
Als er hinausging, holte ihn ein Gentleman ein. „Darf ich ein Stück mit Ihnen gehen, Harcourt?“
„Gern, Greaves, wenn Sie mögen.“ Er sah den Herrn fragend an. Sie kannten sich recht gut, wenn sie auch nicht eng befreundet waren, doch er wusste, sein Begleiter, ein Gentleman der alten Schule, war ein grundehrlicher, zutiefst ehrenwerter Mann.
„Ich möchte Sie warnen“, sagte Greaves. „Collingwood betrügt – und ist verteufelt gefährlich.“
„Danke für die Warnung, doch ich weiß Bescheid. Ich darf Sie jedoch bitten, das nicht laut werden zu lassen?“
„Ah, ich dachte mir so etwas! Wird Zeit, dass jemand Collingwood eine Lektion erteilt. Wenn Sie einen Zeugen brauchen – ich bin Ihr Mann, und ich kenne andere, die ihm zum Opfer gefallen sind.“
„Nun, dann kommen Sie nächste Woche zur selben Zeit her“, sagte Jack. „Ich hätte ihn heute schon vorführen können, aber ich wollte bewusst abwarten. Collingwood hat noch mehr auf dem Kerbholz als nur Betrug, dessen bin ich sicher, einzig der Beweis dafür könnte mir noch schwer werden. Es wäre allerdings schon Rache genug, wenn er aus der Gesellschaft ausgeschlossen würde.“
„Sie denken an David Middleton“, sagte Greaves ernst. „Ich sah das Spiel damals mit an, ohne jedoch zu hören, was sie sprachen, aber Middleton ging wütend hinaus, und Collingwood folgte ihm kurze Zeit später. Sie sollen gestritten haben. Ich habe mich seitdem gefragt … vielleicht ging es nicht nur um die Karten?“
„Da bin ich mir gewiss. Es hingegen zu beweisen steht auf einem anderen Blatt.“
An einer Kreuzung verabschiedete Jack sich und ging tief in Gedanken versunken heimwärts. Ursprünglich hatte er erwogen, einen Streit zu provozieren und Collingwood zu fordern, nun jedoch verwarf er das. Da er der bessere Schütze war, war ein solches Duell nicht besser als ein Mord. Zwar wäre der Freund gerächt, doch doppeltes Unrecht erzeugte nicht automatisch Recht. Nein, er würde Beweise fi nden oder sich damit zufriedengeben müssen, Collingwood öffentlich als Betrüger zu brandmarken.
4. KAPITEL
Das Tanzfest, das Lucy am folgenden Abend besuchte, war nicht wie der rauschende Ball letztens, doch all ihre Bekannten waren da, was hieß, es mangelte ihr nicht an Partnern. Zu ihrer Enttäuschung konnte sie jedoch Lord Harcourt nirgends entdecken. Dafür wetteiferten die anderen jungen Herren um ihre Aufmerksamkeit, wobei Mr. Tristram sich besonders hervortat. Lucy sah sich dieses Mal vor, nicht wieder allein den Saal zu verlassen, vor allem, da sie bemerkte, wie Mr. Lawrence sie, in düsteres Brüten versunken, von Weitem beobachtete.
Für ihren Seelenfrieden war es wahrscheinlich besser, dass sie von dem Gespräch nichts mitbekam, das er später mit seinem Onkel führte.
„Wieso die fi nstere Miene“, hatte Collingwood seinen Neffen gefragt. „Geldprobleme? Ich kann dir mit ein paar Hundertern aushelfen.“
„Nein, kein Geld“, entgegnete der junge Mann, denn der Onkel erwartete für seine Großzügigkeit stets ein gewisses Entgegenkommen, und der letzte Gefallen, den Lawrence ihm hatte erweisen müssen, verfolgte ihn immer noch im Schlaf. Zwar hatte er nicht den Abzug betätigt, war jedoch gezwungen worden, bei der Beseitigung der Beweise zu helfen.
„Also eine
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