Mein Offizier und Gentleman
oben in den Wolken getanzt.
Sofort erinnerte sie sich an ihre Verabredung und läutete rasch nach der Zofe, um nur rechtzeitig fertig zu sein. Sie wollte Lord Harcourt nicht warten lassen.
Tatsächlich stand sie dann schon weit vor der abgemachten Zeit bereit, sodass die Minuten sich dehnten, bis sie endlich hörte, wie er eingelassen wurde.
„Wie pünktlich Sie sind!“, sagte Lord Harcourt anerkennend, als sie ihm die Treppe hinab entgegenschritt. Lächelnd musterte er sie. In dem dunkelblauen Tageskleid und dem dazu passenden Hütchen sah sie entzückend aus. In der Hand trug sie einen ebenfalls blauen, mit Spitze garnierten Sonnenschirm. Das silbrige Haar fi el ihr lose auf die Schultern. „Darf ich sagen, dass Sie ganz reizend aussehen, Miss Lucy?“
„Danke“, entgegnete sie, bezaubernd lächelnd. „Wie lieb von Ihnen, vor allem, da ich gestern versäumte, Ihnen für Ihre Hilfe zu danken, wie es sich gehört.“
„Sie sind zu großmütig“, sagte Jack, während er sie aus dem Haus geleitete. Draußen wartete ein hochmoderner, eleganter Phaeton mit einem Paar feuriger Rappen, die von einem Reitknecht gehalten wurden. „Ich glaube nämlich, ich war ein wenig hitzig. Ich muss Sie um Verzeihung bitten, doch dieser junge Mann hat sich mittlerweile einen recht schlechten Ruf erworben, und sein Verhalten Ihnen gegenüber erzürnte mich. Natürlich berechtigte mich das nicht, Sie so scharf zu tadeln.“
„Sehen Sie, es war mir einfach nicht in den Sinn gekommen, dass eine Dame auf einer solchen Veranstaltung gefährdet sein könnte“, erklärte Lucy ehrlich. „Von nun an werde ich mich vorsehen.“
Jack half ihr in den Wagen. „Ich brauche dich heute Vormittag nicht mehr“, erklärte er dem Reitknecht, dann bedeutete er ihm, die Zügel freizugeben.
Der Mann grinste seinem entschwindenden Herrn breit hinterher. Seine Lordschaft hatte schon lange keine Dame mehr ausgeführt, deswegen wurden im Haushalt bereits Wetten abgeschlossen, ob etwas Ernstes daraus werden würde.
Dieser Spekulationen nicht bewusst, genoss Lucy ihren Aus fl ug außerordentlich. Zum ersten Mal wurde sie von einem Gentleman ausgefahren, der nicht mit ihr verwandt war, und noch dazu in einem so schicken Gefährt.
Bewundernd sagte sie: „Die Pferde sind prachtvoll. Sie müssen sehr stolz auf sie sein.“
„Ja“, bestätigte Jack. „Daheim auf dem Land habe ich eine Zucht, und die besten Pferde starten hin und wieder auch bei den Rennen in Newmarket.“
„Wie aufregend! Und siegen sie oft?“
„Ja, ziemlich oft. Reiten Sie, Miss Lucy?“
„In letzter Zeit kaum noch. Tante Bertha, bei der wir leben, hält nur ein paar Kutschpferde, deshalb bin ich seit dem Tode meines Vaters nicht mehr geritten.“
„Wie schade, es ist ein so schöner Sport, Sie sollten wieder damit beginnen.“
„Ja, vielleicht. Nicht, solange wir in London weilen – aber später … auf dem Lande ist es viel angenehmer zu reiten.“
„Auf dem Land müssen Sie einen eigenen Wagen fahren.“ Jack sah sie abschätzend an. „Ah, ich glaube, das wäre das Richtige für Sie, Miss Lucy, besser noch als Reiten! Ja, ich kann mir gut vorstellen, wie Sie eigenhändig ein fesches Karriol lenken.“
Erstaunt sah Lucy zu ihm auf. „Sie scherzen, Sir. Gehört es sich denn für eine Dame, selbst zu kutschieren?“
„Doch, auf dem Lande ist das vertretbar“, erklärte Jack, „in London allerdings wagen es nur Damen, die bereit sind, dem Klatsch die Stirn zu bieten.“
„Oh …“, Lucy krauste überlegend die Stirn. „Ob Drew es mich wohl lehren würde? Vielleicht, wenn ich ihn recht schön bitte …“
„Sie sind ein Schelm, Miss Lucy.“ Jack lachte verhalten. „Ich ließe Sie gern meinen Wagen fahren, allerdings nicht mit diesem Gespann, die Tiere sind zu temperamentvoll, doch mit sanfteren Pferden … Wie wäre es? Eine Runde durch den Park? Vielleicht übermorgen, um zehn?“
„Oh ja, nur zu gern!“ Lucy stimmte mit leuchtenden Augen zu. „Wenn Sie sich durchringen können, Ihre Pferde in meine Hände zu geben? Wie sehr ich mich darauf freue!“
„Ich nicht minder“, entgegnete er lächelnd. „Es wäre eine ganz neue Erfahrung für mich.“
Verstohlen betrachtete Lucy ihn, sein seltsamer Tonfall hatte sie neugierig gemacht.
Sie kann ja nicht wissen, dass ich meine Pferde nie aus der Hand gebe, nicht einmal an Männer, dachte Jack. Außerdem besaß er nur sehr kraftvolle, feurige Rösser, für eine Dame völlig ungeeignet. Doch das
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