Mein Offizier und Gentleman
würde sich regeln lassen; er kannte jemanden, der ihm ruhige Tiere beschaffen konnte. Fragte sich nur, ob sein Ruf es überstehen würde, wenn er mit sanftmütigen Pferden gesehen wurde.
Als Jack am Nachmittag zu seinem Stadtpalais zurückkehrte, bemerkte er interessiert, dass eben ein Junge aus der Tür kam, zu einem Gentleman auf der anderen Straßenseite trottete und nach ein paar gewechselten Worten, nachdem er eine Münze in Empfang genommen hatte, davonsprang. Als der Herr sich in Jacks Richtung wandte, erkannten sie einander auf Anhieb. Der andere machte kehrt und eilte schnellen Schrittes fort.
Was hat George Garrick hier zu suchen und warum entlohnt er jemanden, der offensichtlich in meinem Haus war, fragte sich Jack verblüfft. Er glaubte es zu wissen; plötzlich schienen ein paar Teile des Puzzles zusammenzupassen. Der mysteriöse Brief stammte von einer Person, die behauptete, einst mit ihm befreundet gewesen zu sein – und eben das passte genau auf Garrick. Die Freundschaft war zerbrochen; tatsächlich hatte Jack sogar einmal kurz davorgestanden, den Mann zu fordern, wenn es dann auch nur zu einem Faustkampf gekommen war. Er machte nämlich George Garrick für das elende, glücklose Leben seiner Schwester Amelia verantwortlich, obwohl er inzwischen einsah, dass der Fehler nicht allein bei Garrick lag. Amelia könnte heute glücklich mit ihm verheiratet sein, wäre da nicht noch eine Person beteiligt gewesen …
Als er ins Haus trat, fi el sein Blick sofort auf einen Brief, der in der Halle auf dem Tisch lag. Er öffnete ihn und erkannte, dass seine Intuition ihn nicht getäuscht hatte.
Ich habe weitere Informationen erhalten. Zwar fehlen mir noch Beweise, doch ich glaube, bald Näheres über den Mord an David Middleton erfahren zu können. Es geht um einen Ihnen wohlbe kannten Herrn, den Gatten Ihrer Schwester. Sollte ich recht ha ben, erklärte sich dadurch Vieles – Schlimmeres, als Ihnen klar ist. Wenn meine Vermutungen sich bewahrheiten, hören Sie wieder von mir. Ein Freund, der Vergebung erlangen möchte .
Sollte Staunton in diese Geschichte verwickelt sein? Das würde allerdings vieles erklären! Jack überlegte. Sicher, Amelias Gatte war ein Tyrann, doch war ihm zuzutrauen, dass er zusammen mit Collingwood Mordpläne geschmiedet hatte? Möglicherweise, wenn Middleton für ihn eine Bedrohung dargestellt hätte. Nachdenklich schritt Jack in die Bibliothek, wo er den Brief zu dem anderen in eine Schreibtischlade schob. Höchstwahrscheinlich kamen beide Schreiben von George Garrick, und Jack spielte mit dem Gedanken, ihn aufzustöbern und auszufragen. Aber wenn er ihn mit dem Versuch vergraulte? Nein, besser abwarten, wohin dieses Versteckspiel führte.
Lucy amüsierte sich an diesem Abend während der Kartengesellschaft außerordentlich. Drei Herren wetteiferten um ihre Aufmerksamkeit, halfen ihr, die Karten richtig auszuspielen, und übertrafen sich später darin, ihr köstliche Häppchen vom Buffet anzubieten oder Champagner zu besorgen.
Der hübsche blonde Mr. Langham, der sowohl Reichtum als auch die Aussicht auf einen Titel vorweisen konnte, machte nur zu klar, dass er ihr ehrlich zugetan war, obwohl er bisher nicht gewagt hatte, sich zu erklären. Anders Sir Hugh; dieser etwas reifere Herr hatte ihr schon drei Anträge gemacht, doch in so spaßhafter Form, dass Lucy sie nicht ernst nehmen konnte, und Mr. Robinson zeigte ebenfalls überdeutlich, wie anziehend er sie fand, wenn er sich auch nicht deutlich äußerte.
Sie alle bemühten sich so sehr um sie, dass Lucy nicht einen Moment allein blieb. Trotzdem fehlte ihr Lord Harcourt, und da sie wusste, dass er eingeladen war, fragte sie sich im Stillen, warum er nicht an der Gesellschaft teilnahm. Natürlich war es dumm, ob seiner Abwesenheit enttäuscht zu sein; dennoch konnte sie das Gefühl nicht unterdrücken.
Auf dem Heimweg grübelte sie vor sich hin. So ungemein freundlich man ihr in London auch begegnet war, langsam wurde ihr bewusst, dass sie sich außer Lord Harcourt keinem der Herren von ganzem Herzen zugeneigt fühlte. Wenn er einen Raum betrat, empfand sie es, als sei plötzlich die Sonne aufgegangen, alles wurde heller, strahlender, aufregender.
Jack hatte an diesem Abend, da er seinem Gegner am Kartentisch gegenübersaß, andere Dinge im Sinn. Das erste Spiel hatte Collingwood ihn gewinnen lassen, doch nun verlor er unaufhörlich. Nachdem er ihn eine Zeit lang scharf, aber unauffällig beobachtet hatte, wusste er, wie
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