Mein Offizier und Gentleman
eine Ehe – also sollten wir davon absehen!“
„Jack …“ Lucy fuhr zurück, als hätte er sie geschlagen. Wie, er wollte sie nicht mehr heiraten? „Was meinst du damit?“
„Ver fl ixt! Ich weiß es selbst nicht!“, stieß er aus. „Lucy, geh ins Haus. Ich muss nachdenken. Im Moment scheint es mir, als gäbe es keine gemeinsame Zukunft für uns. Du vertraust mir nicht, und ich möchte mich nicht ein Leben lang vor dir rechtfertigen müssen.“
Mit diesen Worten wandte er sich ab und schritt davon. Ungläubig sah Lucy ihm hinterher, dann wirbelte sie herum und rannte wie gejagt hinauf in ihr Zimmer.
9. KAPITEL
Verzweifelt saß Lucy in ihrem Zimmer und grübelte. Jacks Worte hatten sie in eisige Erstarrung versetzt. Wie wütend er gewesen war! Insgeheim konnte sie es ihm nicht einmal verdenken, denn sie wusste, dass sie sich falsch verhalten hatte und noch dazu wenig damenhaft. In ihrer Lage würden die meisten jungen Mädchen Unwissen vorschützen, solange er seine Mätresse diskret verheimlichte. Aber sie wollte Jack nicht wegen seines Titels oder seines Reichtums heiraten! Sie hätte ihn auch ohne das genommen, wenn er sie nur liebte und ehrlich zu ihr war, denn Lügner und Betrüger konnte sie nicht ausstehen, und der Gedanke, Jack könnte sie bezüglich des Kindes belogen haben, widerstrebte ihr ungemein.
Er hatte ihr vorgeworfen, dass sie Rosas Worten Glauben schenkte, seinen jedoch nicht, und er hatte recht damit. Wie ungerecht und dumm sie doch war! Sicher, er hatte sich eigensinnig geweigert, ihr die Wahrheit zu sagen – aber warum? Bestimmt wäre es doch einfacher, geradeheraus zu sagen: „Ja, er ist mein Sohn, aber die Frau bedeutet mir nichts.“
Er hatte es nicht gesagt. Aber er hat mir seine Liebe geschwo ren . Vielleicht sollte sie sich damit zufriedengeben. Langsam dämmerte es ihr, dass ihre Worte einem Ehrenmann wie Giftpfeile erscheinen mussten. Angenommen, das Kind gehörte einer Person, die ihm am Herzen lag?
Wie hatte sie Rosas Beteuerungen glauben können? Die Frau war offensichtlich eifersüchtig und wahrscheinlich sogar vernarrt in Jack. Ihre boshaften Worte hatten verletzen und einen Keil zwischen sie und Jack treiben sollen.
Wie dumm war sie gewesen, sich in diese Lage zu bringen! Lucy erkannte, dass sie zu weit gegangen war, als sie ihn der Lüge beschuldigte. Seine barsche Reaktion musste sie sich selbst zuschreiben.
Mit einem Mal war ihr klar, was sie tun musste. Sie musste mit ihm sprechen – sofort! Sie sprang auf, zerrte ihr Reitkleid hervor und schlüpfte hinein, nahm Handschuhe und Gerte und eilte zu den Ställen.
Dort lungerte nur ein Stallbursche herum. Sie rief ihn und bat, ihr ein Pferd zu satteln.
„Welches denn, Miss?“
„Ach, irgendeins … da, den starken Braunen. Ich bin in Eile!“
„Gut, Miss, wenn Sie meinen …“ Jeremiah wunderte sich, da dieser Hengst sehr übermütig war und sonst nur von Seiner Lordschaft geritten wurde, doch er wagte seiner zukünftigen Herrin nicht zu widersprechen.
Ungeduldig ließ Lucy sich in den Sattel helfen, spürte zwar ein Widerstreben des Pferdes, glaubte jedoch, das werde sich legen, wenn sie es erst in offenem Gelände laufen lassen konnte. Sobald sie auf den See zusteuerte, in dessen Richtung sie Jack zuvor hatte verschwinden sehen, gab sie dem Tier die Zügel frei. In waghalsiger Stimmung und seltsam erregt, fl og sie in rasendem Galopp dahin. Das herrliche Gefühl von Freiheit ließ sie für den Moment ihren Kummer vergessen, und auch, warum sie sich aufgemacht hatte. Nichts zählte, als das erhebende Gefühl, dieses feurige Tier unter sich zu spüren.
So sehr genoss sie diesen Ritt, dass ihre Umgebung völlig versank. Als aus dem nahen Gebüsch plötzlich ein Fuchs hervorschoss und vor ihr den Weg kreuzte, warf ihr Pferd schnaubend den Kopf hoch. Verzweifelt riss sie an den Zü geln, das Tier scheute und stieg, und Lucy, die damit nicht gerechnet hatte, fl og aus dem Sattel. Hart schlug ihr Kopf auf dem Boden auf. Aufstöhnend sank sie in Ohnmacht, während der erschreckte Braune zwischen den Bäumen verschwand.
Jack war im Dorf gewesen. Ursprünglich hatte er Rosa aufsuchen wollen, dann jedoch beschlossen, damit zu warten, bis seine Wut abgekühlt war, weil er sonst für nichts garantieren konnte. Auf jeden Fall würde er für die Erziehung und Betreuung des Jungen andere Wege einschlagen müssen. Er konnte ihn nicht mehr in Rosas Obhut lassen, obwohl sie das Kind gern hatte und es sehr an ihr
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