Mein Offizier und Gentleman
anlasten. Er hatte sie belogen, hatte mit ihr gestritten, und nur deswegen war sie Hals über Kopf verschwunden. Wenn ihr Schlimmes zugestoßen war, würde er sich das nie verzeihen können.
Lucy regte sich, als etwas Kühles ihre Stirn berührte. Verwirrt schlug sie die Augen auf, zuckte jedoch ängstlich zurück, denn ein fremder Mann sah auf sie nieder. Sie versuchte, sich hochzustemmen, spürte einen Schmerz am Hinterkopf und sank, von Schwindel erfasst, zurück.
„Besser nicht bewegen jetzt“, sagte der Mann. „Du bist von Pferd gefallen. Ich denke, du tot, aber ich schnell hole Wasser, und du nicht tot – aber Kopf tut weh, ja?“
Wieder öffnete Lucy die Augen, und nun verschwamm das Gesicht über ihr nicht mehr. Sie hauchte schwach: „Ich sah Sie schon einmal hier. Wer sind Sie?“
„Nicht wichtig“, sagte der Mann. „Verzeihung, ich nur spreche bisschen Englisch. Komme von Spanien vor zwei Monat. Ich suche jemand. Ich nix tue englische Miss.“
„Ich fürchte mich nicht vor Ihnen“, sagte Lucy, während sie sich vorsichtig aufsetzte. Ihr war nicht mehr ganz so schwindelig. „Danke für Ihre Hilfe. Könnten Sie mich stützen?“ Der Mann reichte ihr seine Hand und zog sie auf die Füße. Sofort begann sich abermals alles um sie zu drehen, und sie schwankte leicht. Dann machte sie einen Schritt, schrie jedoch sofort leise auf. „Au, das tut weh … mein Knöchel.“
„Ah, Fuß schmerzt?“ Der Mann runzelte überlegend die Stirn. „Ist weit zum Haus. Ich holen Hilfe?“
„Nein, bitte, bleiben Sie. Vielleicht kann ich gehen, wenn Sie mich stützen … bitte.“
Nach kurzem Zögern kam der Mann ihrer Bitte nach, um fi ng Lucy vorsichtig und stützte sie, sodass sie ein paar Schritte vorwärts humpelte. Doch dann musste sie, von Schmerz ganz benommen, aufgeben. Die Kräfte verließen sie, und sie wäre gestürzt, wenn der Mann sie nicht aufgefangen und sacht ins Gras gebettet hätte.
Unentschlossen, was zu tun wäre, kniete er neben ihr, als er Hufschlag hörte und aufschauend einen Reiter herangaloppieren sah.
Jack brauste heran, und während er den Fremden noch winkend den Arm heben sah, zog er schon scharf die Zügel an, sprang aus dem Sattel und ließ sich neben Lucy auf die Knie sinken.
„Was ist geschehen? Ist sie gestürzt?“, fragte er erregt.
Der Mann erklärte in gebrochenem Englisch, wie er sie hatte vom Pferd fallen sehen. „Ich hole Wasser, kühle ihre Kopf, und dann sie wach. Aber kann nicht laufen … ihr Fuß …“
„Danke, dass Sie ihr geholfen haben.“ Jack sah sein Gegenüber prüfend an. „Sie sind Spanier, nicht wahr? Was führte Sie her?“
„Ich tun nix. Suche Arbeit …“ Dann sah er, dass sich mehrere Reiter näherten. „Ich tun nix …“ sagte der Fremde noch einmal, drehte sich auf dem Absatz um, rannte davon und verschwand im Gebüsch.
„Kommen Sie zurück!“, rief Jack. „Ich will nur wissen, wer Sie sind! Ich will Ihnen danken!“ Doch der Mann war nicht mehr zu sehen, und nun kam Brent mit weiteren Leuten, und Jack wandte sich der Aufgabe zu, Lucy so schonend wie möglich ins Herrenhaus zu schaffen.
„Ist sie bei Bewusstsein?“, fragte Brent besorgt.
„Sie kommt, glaube ich, zu sich“, entgegnete Jack, als ihre Lider zuckten und sie leise aufstöhnte. Wie bleich sie war! „Sie scheint mit dem Kopf aufgeschlagen zu sein, und vielleicht ist ihr Knöchel verstaucht. – Ah, da ist auch der Wagen!“ Behutsam hob er Lucy auf und trug sie in seinen Armen zu der Chaise, wo er sie unendlich sanft auf den Sitz bettete. „Schaffen wir sie so schnell wie möglich ins Haus …“
Von der Heimfahrt bekam Lucy kaum etwas mit, nur wenn der Wagen schwankte, stieß sie hin und wieder einen schwachen Jammerlaut aus. Als sie endlich die Augen öffnete, lag sie in ihrem Bett, und ihre Mutter saß neben ihr.
„Mama? Was ist passiert?“, fl üsterte sie matt.
„Dein Pferd warf dich ab“, sagte Mrs. Horne. Sanft strich sie ihr das Haar aus der Stirn und legte ihr ein feuchtes, kühles Tuch auf. „Der Doktor ist hier, er wird dich jetzt untersuchen.“
„Mein Kopf fühlt sich wund an, und in meinem Fuß sticht es.“ Unsicher betrachtete sie den ältlichen Herrn, der sich über sie beugte und sorgfältig die Verletzungen betrachtete, ehe er sie behutsam abtastete. Dann befragte er sie über den Hergang des Unfalls, und sie erzählte, an was sie sich erinnern konnte. Endlich erklärte er: „Es ist keine Platzwunde, nur eine ordentliche Beule am
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