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Mein Onkel Ferdinand

Mein Onkel Ferdinand

Titel: Mein Onkel Ferdinand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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dich wahrhaftig nicht. Du kannst doch von mir nicht verlangen, daß ich das Mädel besuche! In meinem Zustand, mit dem blauen Auge und den wackelnden Vorderzähnen!«
    Das war ein Argument, aber ich blieb hart und fest: »Mach, was du willst, aber von mir erfährst du kein Wort!«
    »Warum bloß nicht, in aller Welt?« fragte Onkel Ferdinand völlig fassungslos.
    »Weil es ein reizendes, hochanständiges und fabelhaft tüchtiges Mädchen ist, und weil es von mir eine niederträchtige Gemeinheit wäre, diesem Mister Murchison das zu erzählen, was sie mir unter dem Siegel der Verschwiegenheit anvertraut hat. Was will der Kerl überhaupt von ihr? Ich traue ihm nicht über den Weg, und ich bin fest davon überzeugt — wenn ich es auch nicht beweisen kann —, daß hinter seinem Auftrag irgendeine Lumperei steckt.«
    »Mit einem Wort«, stellte Onkel Ferdinand fest und stemmte die Fäuste in die Hüften, »du hast dich vorgestern in das Mädel verknallt!«
    »Quatsch!« schrie ich grob und gereizt und war bereit, die Unterredung brüsk abzubrechen.
    Onkel Ferdinand drückte mich auf den Stuhl zurück und zündete sich eine Zigarre an. Die geschwollenen Lippen schienen den Genuß erheblich zu beeinträchtigen.
    »Hör mir gut zu, Hermann«, sagte er aus einer Rauchwolke heraus, »auch ich habe dir etwas zu erzählen. Und vielleicht ändert das deine Meinung wesentlich. — Du erinnerst dich doch daran, daß Murchison uns erzählte, er sei Anwalt und er käme im Aufträge eines Klienten nach Deutschland. Nun, ich habe mich im Savoy nach ihm erkundigt, und der Portier ließ mich sogar in Murchisons Paß hineinschauen. Dieser Reisepaß ist vor einer Woche neu ausgestellt worden, und da steht nichts davon drin, daß er Anwalt ist, sondern da steht ganz schlicht und bescheiden unter der Rubrik Beruf: >Employee<, und das heißt auf deutsch bekanntlich >Angestellter<.
    »Das ist allerdings merkwürdig...«, stotterte ich verblüfft.
    »Ja, das finde ich auch ziemlich komisch«, nickte Onkel Ferdinand. »Also nehmen wir einmal an, der Kerl sei ein Hochstapler und verfolge bei dem Mädel tatsächlich irgendwelche Absichten, die nicht ganz sauber sind. Was folgt für uns daraus?«
    Es gab für mich nur eine Folgerung, Murchison das Geld zurückzugeben und ihm zu sagen, er möge sich mit seinem Auftrag zum Teufel scheren.
    »Du bist verrückt, Hermann!« stellte Onkel Ferdinand kopfschüttelnd fest, »du bist wirklich von allen guten Geistern verlassen. Das Geld zurückgeben? Das kommt überhaupt nicht in Frage! Nie im Leben!«
    »Was willst du nun eigentlich?« fragte ich ungeduldig.
    »Ich will, daß du zu Murchison hingehst, daß du ihm über dieses Fräulein Gertrud Drost alles erzählst, was du erfahren hast — kurz und gut, daß er sich erstklassig bedient fühlt und mindestens noch einen von den großen Propheten locker macht. Dann können wir in aller Ruhe abwarten, was weiter geschieht. Denn irgend etwas wird der Bursche auf Grund deiner Informationen dann ja wohl unternehmen...«
    Ich überlegte blitzschnell. Und ich mußte zugeben, daß das, was Onkel Ferdinand vorbrachte, Hand und Fuß besaß. Die Informationen, die Murchison über Fräulein Drost brauchte, konnte er sich auch aus anderen Quellen beschaffen. Hatte er aber eine Lumperei im Sinn, dann konnte ich sie noch am leichtesten verhindern, wenn ich sozusagen am Drücker blieb und ihn beobachtete.
    »In Ordnung!« rief ich, »ich werde die Sache machen. Nur eines kannst du von mir nicht verlangen, daß ich von dem Kerl auch nur einen Pfennig in Empfang nehme.«
    »Das laß nur meine Sorge sein«, sagte Onkel Ferdinand und rieb sich die Hände. »Ich werde Mister Murchison einen heben kleinen Brief schreiben, und den gibst du einfach ab. Du kannst auch nebenbei erwähnen, daß ich in einer dringenden Angelegenheit nach Frankfurt abberufen worden sei — oder nach Hamburg, das klingt eigentlich noch besser. Wann willst du ihn besuchen?«
    »Noch heute nachmittag.«
    »Gut, ich läute inzwischen das Hotel an, daß Murchison dich um drei Uhr erwarten soll. Vorher springst du rasch zu mir herauf und holst den Brief ab, verstanden? Verdammt noch einmal, jetzt bräuchte ich nichts dringender als eine Schreibmaschine. Nun, es wird mir nichts anderes übrigbleiben, als die paar Zeilen in einem Schreibbüro tippen zu lassen. So häufen sich die Unkosten...«
    Ich verließ ihn.
    Nun war es doch ganz anders gekommen, als ich es im Sinn gehabt hatte. Aber ich sah keine andere

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