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Mein Onkel Ferdinand

Mein Onkel Ferdinand

Titel: Mein Onkel Ferdinand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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etwa gar nicht das Forschungs-Institut, das mir diese Frage stellt?«
    »Die letzte Frage, die das DFI auf dem Fragebogen stellt«, sagte ich todernst, »lautet wortwörtlich: >Was hält die junge selbständige Frau von der sogenannten großen Liebe?<«
    »Und ich möchte wetten, daß Sie schwindeln«, sagte sie sehr bestimmt, aber sie lächelte dabei, als wäre sie bereit, mir zu verzeihen.
    »Wie kommen Sie darauf?« fragte ich und versuchte, echt gekränkt auszusehen. »Aber Sie brauchen mir keine Antwort zu geben. Und wenn Sie mir dennoch antworten, so werden Sie mir sehr wahrscheinlich nichts anderes sagen, als was mir die fünfundzwanzig oder dreißig Damen gesagt haben, die ich vor Ihnen auf suchte...«
    »Nun?« fragte sie gespannt, »was haben sie Ihnen erzählt?«
    »Daß man darüber nicht sprechen kann, solange man nicht praktisch vor diese Entscheidung gestellt wird.«
    Sie hob die Schultern und ließ sie wieder sinken.
    »Ich glaube, ich würde mich nicht so vorsichtig ausdrücken«, sagte sie, und eine flüchtige Blutwelle färbte ihre Wangen für einen Augenblick dunkler. »Ich glaube, ich würde vor der großen Liebe kapitulieren...«
    Sie war wirklich ein reizendes Mädchen. Und sie gefiel mir ausnehmend gut. Sie war so wunderbar natürlich und besaß einen bezaubernden Charme. Um so niederträchtiger empfand ich es, daß ich mich bei ihr mit einer Schwindelei eingeführt hatte, die mir in der Zukunft den Weg zu ihr verbaute.
    Es wurde für mich Zeit, mich zu verabschieden. Ich verwahrte den Zettel mit meinen Notizen in der Brieftasche und erhob mich aus dem Sessel.
    »War das alles, was Sie wissen wollten?« fragte sie.
    »Ja, und ich glaube, Sie haben mir mehr erzählt, als Sie ahnen. Die Technik des Forschungs-Instituts ist außerordentlich raffiniert. Ich selber bin oftmals darüber erstaunt, wie die Zentrale das Material auszuwerten versteht und wie man dort aus einem Mosaik von scheinbaren Nebensächlichkeiten ein deutliches Bild unserer Zeit zusammensetzt.«
    Sie warf einen heimlichen Blick auf meine Karte, die vor ihr auf dem kleinen runden Tisch neben dem Apfelkorb lag. »Ich weiß nicht recht, was ich Ihnen alles erzählt habe, Herr Doktor Martin«, sagte sie ein wenig verwirrt, »jedenfalls verlasse ich mich auf Ihre Diskretion...«
    Sie begleitete mich durch den Laden und schloß mir die Tür auf: »Auf Wiedersehen, Herr Doktor Martin...«
    »Sagen Sie«, stammelte ich plötzlich zwischen Tür und Angel, während die Glasstäbe meine Worte mit zartem Geläut musikalisch untermalten, »wäre es nicht wirklich möglich, Sie einmal wiederzusehen?«
    Fräulein Drost wuchs plötzlich um mindestens fünf Zentimeter in die Höhe. Der Blick, mit dem sie mich maß, war ziemlich eisig und alles andere als ermutigend.
    »Ich meine... als Kunde!« stotterte ich.
    »Mein Geschäft ist für jeden offen«, sagte sie und sperrte die Tür hinter mir ab. Sie hatte das Wort >Geschäft< so unmißverständlich betont, daß ich mir nicht die geringsten Hoffnungen auf eine intimere Bekanntschaft zu machen brauchte. Und ich schlich, mit mir und der Welt nicht gerade zufrieden, unter einem Himmel, über den die Wolken flogen, langsam heimwärts.

6

    Über Nacht schlug das Wetter um. Und als wollte der Sommer alles nachholen, was er bisher schuldig geblieben war, überschüttete er die Stadt und die Landschaft mit Licht und Wärme. Trotzdem erwachte ich in einer miserablen Laune. Der Gedanke, Onkel Ferdinand zu begegnen und ihm über meinen Besuch bei Fräulein Gertrud Drost berichten zu müssen, verdarb mir die Stimmung gründlich.
    Warum eigentlich? Ich horchte ein wenig erschreckt in mich hinein. Hatte ich mich in sie verliebt? Ach, Unsinn, so rasch verliebt man sich nicht! Ohne Zweifel aber war dieses Mädchen ein reizendes Geschöpf, und zum mindesten war es ein grober Mißbrauch ihres Vertrauens, das, was sie mir arglos erzählt hatte, an diesen merkwürdigen und undurchsichtigen Mister Murchison weiterzugeben.
    Ich holte mein Moped vom Speicher, ließ mir von Minna ein paar Eier hartkochen und ein halbes Dutzend Brote zurechtmachen, und rückte mit der Badehose in der Tasche aus, um Onkel Ferdinand wenigstens für ein paar Stunden zu entgehen. Ich wollte es mir inzwischen gründlich überlegen, ob ich ihm überhaupt etwas über meine Recherchen mitteilen sollte, denn ich wurde das peinliche Gefühl nicht los, zugleich mit dem Bericht auch Fräulein Drost an den Engländer zu verkaufen.
    Als ich am Abend

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