Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mein Onkel Ferdinand

Mein Onkel Ferdinand

Titel: Mein Onkel Ferdinand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
Vom Netzwerk:
heimkehrte, unverändert mürrisch und noch immer unentschlossen, dafür aber mit einem schmerzhaften Sonnenbrand auf Brust und Schultern, empfing mich Minna an der Tür mit der Mitteilung, daß Onkel Ferdinand im Verlauf des Nachmittags zweimal vorgesprochen und sich nach mir erkundigt habe, und er sei dabei nervös gewesen.
    Beim Abendessen erkundigte sich mein Vater, ob ich etwas von Onkel Ferdinand gehört hätte und ob ich wüßte, was es mit seinem Unternehmen auf sich habe. Natürlich sagte er: von deinem Onkel Ferdinand... Ich konnte mich nicht enthalten, spitz zu werden.
    »Ich habe deinen Schwager Ferdinand Danckelmann vorgestern zum letztenmal gesehen und weiß nur soviel über ihn zu berichten, daß er bereits einen einträglichen Auftrag bekommen hat.«
    »Es wäre ein rechter Segen für uns alle!« seufzte meine Mutter auf und ließ ihr Strickzeug für einen Augenblick ruhen, »dein Onkel Ferdinand hat uns in seinem Leben wahrhaftig schon genug Kummer und Sorgen bereitet.«
    Das war zu viel für mich! Solange Onkel Ferdinand den anderen Sorgen bereitet hatte, hatte ich es ohne Murren geschluckt, wenn man ihn mir zuschob. Seitdem er aber auch mir Kummer machte, ging mir diese Art der Familie, mich für sein Dasein verantwortlich zu machen, auf die Nerven.
    »Laß mich, bitte, mit deinem Broder Ferdinand zufrieden!« schrie ich blaß vor Zorn und unbeherrscht, erhob mich, warf die Serviette neben den Teller und rannte in mein Zimmer hinüber.
    »Was hat der Junge bloß?« (hörte ich meine Mutter noch ganz bestürzt fragen.
    An diesem Abend sperrte ich die Tür hinter mir wütend zu, ölte die glühende Brust und die gesottenen Schultern ein und hängte mich, als ich trotzdem nicht einschlafen konnte, mit halbem Oberkörper zum Fenster hinaus. So verbrachte ich den größten Teil der Nacht und sah, wie die Sterne über mir am Himmel erblühten. Erblühten...? Jeijeijei, nie im Leben wäre es mir eingefallen, in den Sternen etwas anderes zu sehen als Himmelskörper, die nach uns bekannten und sogar berechenbaren Gesetzen ihre Bahn am Firmament zogen und als Fixsterne oder Planeten nichts, aber auch schon gar nichts Blumenhaftes an sich hatten. Um so heftiger beunruhigte es mich, als ich auch noch den Himmel, den unendlichen, mit Sternennebeln, Meteorstaub und feinstverteilten Kalziumatomen erfüllten Raum, mit einer enzianblauen Wiese zu vergleichen begann...
    Unsinn! Das alles hatte nichts mit Fräulein Drost zu tun! Das war Fieber. Das kam vom Sonnenbrand. Und im übrigen hatte es auch nichts mit verliebten Gefühlen zu tun, sondern war nichts anderes als eine reine Anstandspflicht, wenn ich Onkel Ferdinand morgen aufsuchen und ihm erklären wollte, daß er in seinem eigenen Saft schmoren und gefälligst sehen solle, wie er selber mit seinem Auftrag fertig würde! Von mir jedenfalls hatte er keinen Beistand zu erwarten. Den Fingerzeig wollte ich ihm geben, in die Kartei des Einwohnermeldeamtes Einsicht zu nehmen. Mochte er sich für den Rest seines Berichtes an Murchison zusammenschwindeln, was ihm in den Kram paßte. Bei der Art seiner Geschäfte kam es auf ein bißchen mehr oder weniger Schwindel wahrhaftig nicht an.
    Dieser Vorsatz und zwei Tabletten beruhigten mich so sehr, daß ich trotz der glühenden Schultern augenblicklich einschlief und erst erwachte, als mein Vater am anderen Morgen das Haus längst verlassen hatte.
    Ich machte mich sofort nach dem Frühstück auf den Weg und traf Onkel Ferdinand, was ich nie und nimmer erwartet hatte, gegen zehn Uhr tatsächlich in seinem Büro an.
    Aber was für einen Onkel Ferdinand!
    Bereits in der Dunkelheit des Korridors hatte ich den Eindruck, er sei irgendwie verändert. Auch seine Stimme klang gar nicht so voll und sonor wie sonst. In der Helligkeit seines Büros sah er einfach zum Erbarmen aus. Das rechte Auge war dick geschwollen und blau unterlaufen, und auch mit seinen Zähnen schien nicht alles in Ordnung zu sein, denn er zischte wie eine gereizte Kobra, wenn er sprach.
    »Um Himmels willen, Onkel Ferdinand«, rief ich erschrocken, »was ist mit dir los? Was ist geschehen?«
    Er legte einen kühlenden Lappen auf sein Auge und winkte ab, als wäre es nicht der Rede wert und als hätte ich nicht den geringsten Grund, mir um ihn Sorgen zu machen.
    »Was soll schon los sein?« zischte er. Da er zufällig Worte wählte, deren jedes entweder mit einem S begann oder aufhörte, klang es geradeso, als ließe ein Dampfkessel durch ein undichtes Ventil

Weitere Kostenlose Bücher