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Mein Onkel Ferdinand

Mein Onkel Ferdinand

Titel: Mein Onkel Ferdinand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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bekommen.«
    »Das war nicht ungeschickt«, murmelte er, »jedenfalls hätte ich diesen Trick Ihrem Chef nicht zugetraut. Aber beginnen Sie endlich! Mich interessiert alles.«
    Und ich begann zu berichten. Ich kochte dabei, wenn man so sagen darf, aus wenigen Knochen eine recht lange Suppe. Immerhin konnte ich auch einige Tatsachen einflechten, die Murchison sehr zu interessieren schienen. Ich berichtete ihm von der Flucht der Eltern und von ihrem Unfalltod auf der Fahrt nach Hamburg, von dem Wunsch der Tante, Gertrud Drost einst ihr Geschäft zu übergeben, und von der Art, wie sie zu ihrer eigenen kleinen Existenz gekommen war. Ich erzählte von ihren schmalen Einnahmen und finanziellen Sorgen, beschrieb ihm den Laden und das kleine Privatzimmer und vergaß auch nicht zu erwähnen, daß Fräulein Drost eine gutaussehende, um nicht zu sagen sehr hübsche junge Dame sei. Und ich glaubte zu bemerken, daß diese Tatsache ihn irgendwie beunruhigte.
    Er hatte während meines Berichtes zwei neue Zigaretten angezündet und nach wenigen Zügen ausgedrückt. Der Typ des nervenstarken, eiskalten Engländers war er nur äußerlich.
    »Ein sehr hübsches Mädchen, sagen Sie...«, stellte er schließlich mit schmalen Lippen fest und streute die Asche der vierten Zigarette, obwohl der Aschbecher vor ihm auf dem Tisch stand, mit einer schnippenden Fingerbewegung auf den türkischen Teppich. Er zögerte einen Moment und vermied es, mich anzusehen: »Dann hat sie wohl eine Menge Freunde und Verehrer, wie?«
    Es war nicht schwer, dahinterzukommen, daß diese Frage ihn vor allen anderen interessierte und daß er sie mir am liebsten sofort bei meinem Eintritt ins Zimmer gestellt haben würde, wenn er nicht befürchtet hätte, sich mit ihr allzu deutlich zu enthüllen. Aber was zu enthüllen? Welche Absichten? Welche Hintergründe?
    Die Ziele, die er verfolgte, wurden mir immer rätselhafter. Wenn es ihm nur um eine Eroberung ging, hätte er sich bei seinem guten Aussehen den Weg von England nach Deutschland ersparen können. Das Geheimnis, das es hier zweifellos gab, schien in der Person von Fräulein Drost zu liegen.
    »Es ist nicht ganz einfach, innerhalb von zwei kurzen Tagen in die privatesten Bezirke eines Menschen einzudringen«, sagte ich vorsichtig, »aber ich glaube, gute Gründe für die Behauptung zu haben, daß Fräulein Drost sehr zurückgezogen lebt und — noch zu haben ist.«
    »Noch zu haben ist...«, wiederholte er mit abweisender Schärfe und mit einem fragenden Blick, als wäre ihm dieser deutsche Ausdruck in seiner Bedeutung nicht ganz geläufig. »Was wollen Sie damit sagen?«
    Mein Haken schien gesessen zu haben.
    »Oh«, meinte ich mit harmlosem Gesicht, »nichts als eine Redensart, die man gebraucht, wenn man sagen will, daß ein Mädchen noch nicht gewählt hat und eben frei ist.«
    »Das interessiert mich nicht«, sagte er kühl. »Ich habe Ihnen bereits erklärt, daß ich persönlich kein Interesse an Fräulein Drost habe, sondern im Auftrag eines Klienten handle. Die Gründe, die meinen Klienten zu seinem Auftrag bewogen haben, kann ich nur ahnen. Aber auch, wenn ich sie wüßte, würde ich darüber nicht sprechen. Was ein Berufsgeheimnis ist, brauche ich Ihnen wohl nicht zu erklären.«
    Ich hob die Schultern, lächelte wie ein ganzer Tempel voller Auguren und fragte ihn, ob er weitere Beobachtungen und weitere Berichte wünsche.
    »Nein, danke, es genügt mir«, antwortete er kühl und erhob sich aus seinem Sessel.
    Ich stand ebenfalls auf und sah, daß er nach seiner Brieftasche griff.
    »Erledigen Sie das, bitte, durch die Post«, sagte ich und verbeugte mich knapp, um zu gehen.
    »Ich wollte mich Ihnen persönlich erkenntlich zeigen«, sagte er und zog einen Zehnmarkschein aus dem Seitenfach.
    Es kostete mich einige Mühe, die Zähne auseinanderzubringen: »Danke!« stieß ich hervor, »ich habe einen einträglichen Beruf und betreibe meine Tätigkeit bei Herrn Danckelmann nur aus Liebhaberei!«
    Murchison schien gespürt zu haben, was in mir vorging. Er ließ den Knochen, den er dem Spürhund für seine Dienste hatte zuwerfen wollen, in seiner Tasche verschwinden, trat einen halben Schritt zurück und starrte mich überrascht an. Und dann löste sich bei mir die Spannung, es gelang mir, die Tür zu erreichen und hinter mir zu schließen, ohne daß es zur Explosion gekommen war. Ich glaube aber, Murchison wußte von dieser Sekunde an, daß wir beide uns noch einmal begegnen würden.
    Etwas von dem

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