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Mein Onkel Ferdinand

Mein Onkel Ferdinand

Titel: Mein Onkel Ferdinand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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kleinen Wirbel, den es im Hotel Savoy beinahe gegeben hätte, schien in Onkel Ferdinands Büro tatsächlich vorzugehen, denn als ich den Korridor betrat, wurde ich Zeuge einer häßlichen Auseinandersetzung, die Onkel Ferdinand mit einer Dame hatte. Die Töne, die sie von sich gab, und die Ausdrücke, die sie dabei gebrauchte, waren allerdings so wenig damenhaft, daß ich es vorzog, mich zwischen zwei Schränken unsichtbar zu machen, als sie endlich davonrauschte. Die letzten Worte, die sie mir, ohne mich in meinem Versteck zu bemerken, fast in die Ohren hineinschrie, lauteten: »Von mir kriegen Sie keinen roten Pfennig, Sie Idiot!«
    Mit dem Idioten meinte sie Onkel Ferdinand, und ich täuschte mich nicht in der Annahme, daß es bei der Unterredung um Geld gegangen war.
    »Ein schwerer und undankbarer Beruf!« stöhnte Onkel Ferdinand und wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Meine wackelnden Zähne haben auf das verdammte Frauenzimmer nicht den geringsten Eindruck gemacht...«
    »Wer war die Grazie?« fragte ich teilnahmsvoll.
    »Die Frau von dem Boxer«, antwortete er verstimmt.
    »Jedenfalls wäre es für die Zukunft zweckmäßig«, riet ich ihm, »sich bei ähnlichen Aufträgen vorher nach dem Beruf des Mannes zu erkundigen und die Boxer und Ringkämpfer der Konkurrenz zu überlassen.«
    Onkel Ferdinand feuerte den Lappen, mit dem er sein Auge kühlte, murrend in den Papierkorb: »Dieses hartherzige Luder! Nicht einen lumpigen Soldo habe ich aus ihr herauskitzeln können. Dabei wird mein Auge schon grün und gelb!«
    »Sie wird an verschwollene Augen gewöhnt sein«, witzelte ich.
    »Laß die dummen Redensarten!« knurrte Onkel Ferdinand völlig humorlos. »Hast du unserem Freund Murchison wenigstens den Kies locker gemacht?«
    »Er überweist dir den Rest durch die Post.«
    Onkel Ferdinands Laune besserte sich. Er lehnte sich sinnend in den Stuhl zurück und streckte die Beine auf den Schreibtisch: »Siebenhundert Piepen von deinem hochverehrten Herrn Papa, dreihundert Katharinchen von dem ehrenwerten Mister Murchison, hundert blanke Rubelchen von der Gewitterziege... Es ist eigentlich eine ganz schöne Bilanz für den Anfang. — Ich habe mir übrigens ein Scheckkonto angelegt. Wunderbar praktisch, so ein Scheckkonto. Du brauchst immer nur Zettelchen auszuschreiben. Es ist, als hättest du deine eigene Staatsdruckerei in der Tasche...«
    »Solange das Konto gedeckt ist!« warf ich ein.
    »Jaja, gewiß...«, murmelte Onkel Ferdinand schwach, als wäre mein Einwand gewiß nicht ganz unberechtigt, als gäbe es da aber auch andere Möglichkeiten. Mir wurde ein wenig kühl bei diesen Worten.
    Ich hatte Onkel Ferdinand aufgesucht, um wenigstens mit einem Menschen über Murchison und die Rätsel, die er mir aufgab, zu sprechen. Aber es war zwecklos, auch nur ein Wort über die Sache zu verlieren. Onkel Ferdinand war ein fröhlicher Saufkumpan, darüber gab es nicht den geringsten Zweifel. Das Schicksal hatte ihn für sein Erdenwallen mit einem ausgesprochen sonnigen Gemüt und mit einem gesunden Appetit und Durst ausgestattet. Rätsel zu lösen war nicht seine Sache.
    »Der Weizen blüht!« verkündete er frohgemut und schob mir einen Brief über den Schreibtisch hinüber. »Hermann, der Laden ist wirklich eine Goldgrube. Und ich überlege mir ernsthaft, ob ich es allein noch schaffen kann. Der Tag hat schließlich nur vierundzwanzig Stunden. Und mal muß der Mensch ja auch ruhen, wenn er nicht den Tatterich in die Finger kriegen oder am Herzinfarkt draufgehen will. Wenn ich mir einen anstelligen jungen Mann für den Außendienst nehmen würde, dann könnte ich sozusagen von höherer Warte aus die Aufsicht üben, und mich den anderen, wichtigeren Aufgaben meines Unternehmens widmen. Was sagst du dazu?«
    Ich blickte ihm wortlos in die blauen Augen.
    »Was schaust du mich so komisch an, Hermann?« fragte er.
    Der völlige Ernst, mit dem er sprach, gab mir die Gewißheit, daß der finanzielle Erfolg der letzten Tage ihm in den Kopf gestiegen war und ihm den kleinen Rest seines Verstandes total vernebelt hatte. Ich enthielt mich jeder Äußerung und las den Brief, den er mir herübergeschoben hatte. Er kam aus Dortmund und war von dem Inhaber der 1878 gegründeten Essenzenfabrik Carl Balthasar Köberles unterzeichnet.
    Der Brieftext lautete: P. P.! Wir entnehmen die Anschrift Ihrer alteingesessenen Auskunftei Greif einem älteren Bundesadreßbuch und hoffen wir, daß Ihr wertes Unternehmen noch besteht. Mit dem

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