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Mein Onkel Ferdinand

Mein Onkel Ferdinand

Titel: Mein Onkel Ferdinand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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Druck ab. »Ich bin ein Opfer meines Berufes geworden.«
    »Was?!« rief ich überrascht, »ein Opfer deines Berufes?«
    Er wollte nicht so recht mit der Sprache heraus, aber nach langem Zureden gelang es mir schließlich doch, die Geschichte seines Berufsunfalles aus ihm herauszukitzeln.
    Gestern war eine Dame in dem altehrwürdigen Institut Greif erschienen, die an der Treue ihres Gatten zweifelte und Onkel Ferdinand beauftragte, ihr die Beweise für ihren Verdacht herbeizuschaffen. Mit einem Vorschuß von hundert Mark in der Tasche hatte Onkel Ferdinand sich auf die Spur des Sünders gesetzt, der in Gesellschaft einer Frauensperson — eben jener, von der die Auftraggeberin zärtliche Briefe und ein Foto in der Brieftasche ihres Gatten entdeckt hatte — mehrere Lokale besuchte.
    In der vierten oder fünften Lokalität, einer Tanzdiele, schien es dem Verfolgten aufgefallen zu sein, daß er beschattet würde. Als Onkel Ferdinand das Pärchen dann aber noch ins nächste Lokal verfolgte und an einem Nebentisch Platz nahm, war der Kavalier aufgestanden und hatte Onkel Ferdinand für einen Augenblick auf die Knabentoilette hinausgebeten...
    »Und dann?« fragte ich nicht wenig gespannt.
    »Und dann...«, antwortete Onkel Ferdinand dumpf, »der Kerl war einen halben Kopf größer als ich und mindestens zwei Zentner schwer. Ein richtiger Bulle. >Was wollen Sie überhaupt von mir?< fragte ich und tat harmlos wie ein neugeborenes Kind. >Hören Sie zu, Freundchen<, sagte er, >Sie sind der dritte Spion, den meine Olle hinter mir herschickt. Wenn Sie nicht sofort machen, daß Sie verschwinden, geht es Ihnen wie den anderen Kerlen. Also los, verduften Sie, Mann, aber schnell!< — >Ich kenne Ihre Olle nicht<, sagte ich, >und ich verstehe überhaupt kein Wort von dem, was Sie mir erzählen!< — >Sie verstehen mich ganz genau<, knurrte er, >und wenn Sie nicht innerhalb von zwei Sekunden abhauen, verarbeite ich Sie zu Tatar, verstanden?< — >Das können Sie ja mal probieren<, sagte ich und wollte die Hände aus den Hosentaschen nehmen...«
    »Na und?« fragte ich, »schließlich bist du ja auch nicht gerade aus Pappe... «
    »Ach was!« brummte Onkel Ferdinand, »ich kam nicht einmal dazu, die Finger zu rühren. Ganz plötzlich, im Bruchteil einer Sekunde, hatte ich drei oder vier Dinger drin, daß mir die Funken aus den Augen stoben. Ich wußte einfach nicht mehr, wo rechts und links und wo oben und unten war. Das dumme Frauenzimmer hatte mir nämlich verschwiegen, daß der Kerl Berufsboxer war! Na, mein Junge, der werde ich aber eine gesalzene Rechnung präsentieren...«
    Er befeuchtete den Waschlappen aus der Rumflasche.
    »Eine wahre Affenschande, daß man so etwas äußerlich anwenden muß!« grollte er und fing einen Tropfen, der ihm über die Wange hinabrann, mit der Zunge auf. »Und überhaupt bist nur du schuld daran, daß mir so etwas passieren mußte!« fügte er grimmig hinzu.
    »Ich soll daran schuld sein?« rief ich empört.
    »Natürlich, niemand anders als du! Denn wenn du mich gestern nicht hättest sitzenlassen, dann hätten wir beide uns in der Beobachtung des Bullen ablösen können, und der Bursche wäre nie im Leben darauf gekommen, daß wir hinter ihm her sind.«
    Ich protestierte sehr energisch. Schließlich war es sein Geschäft und nicht meines. Und wenn ich mich auch einmal dazu hergegeben hatte, in seiner Inszenierung eine Rolle zu übernehmen, so dachte ich auch nicht im Traum daran, von nun an etwa Tag und Nacht den Polandi für das famose Institut Greif zu machen!
    »Wie steht es übrigens?« fragte er, »hast du die Angelegenheit mit dem Mädel schon erledigt?«
    »Allerdings!« antwortete ich ihm, »ich habe Fräulein Drost bereits vorgestern aufgesucht und mich lange mit ihr unterhalten.«
    »Und das erzählst du mir erst jetzt?!« rief Onkel Ferdinand vorwurfsvoll und mit allzuviel Temperament, denn bei der heftigen Bewegung, mit der er die Arme hob, verzog er schmerzhaft das Gesicht. Auch seine Schultern schienen etwas abbekommen zu haben.
    Darauf teilte ich ihm sehr ernst und sehr bestimmt meinen festen Entschluß mit, ihm überhaupt nichts zu erzählen, und ersuchte ihn, seine Angelegenheiten selber zu erledigen. Onkel Ferdinand legte den alkoholgetränkten Lappen auf den Schreibtisch und starrte mich aus einem blau unterlaufenen und einem normal blickenden Auge verblüfft an.
    »Und damit kommst du mir jetzt?« schrie er. »Ich verstehe dich nicht, Hermann! Nein, mein Junge, ich verstehe

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