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Mein Onkel Ferdinand

Mein Onkel Ferdinand

Titel: Mein Onkel Ferdinand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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Freund Gustav Graser mit dem Eintreffen des Kredits von zwanzigtausend Bausteinchen zur Vergrößerung seiner Fabrikationsanlagen täglich rechnen dürfe.
    So kamen wir zu der Anzeigen-Annahme der Zeitung, wo Onkel Ferdinand tatsächlich sein Angebot aufgab, daß sich »ehemaligen Angehörigen der Kriminalpolizei oder ähnlicher Berufe die seltene Gelegenheit böte, eine solide Existenz mit einem nachweisbaren Durchschnittseinkommen von DM eintausend monatlich gegen eine einmalige Abfindung von DM fünftausend spottbillig zu erwerben<.
    »Und du meinst wirklich, daß du jemand findest, der auf dieses Inserat hereinfallen wird?« fragte ich.
    »Was heißt hier: hereinfallen?« fragte Onkel Ferdinand entrüstet. »Erstens einmal ist das Institut Greif ein erstklassiges, altrenommiertes und grundsolides Unternehmen und bietet einem Mann, der etwas von der Branche versteht, eine sichere Existenz. Dafür habe ich doch hoffentlich auch nach deiner Meinung den schlagenden Beweis geliefert! Und zweitens stehen in einer Stadt von rund hunderttausend Einwohnern täglich mindestens drei Idioten in der Frühe auf. Man muß sich nur die Mühe machen, einen davon zu finden.«
    Diese reichlich zynische und auch recht gefährliche Weisheit stammte gewiß nicht aus Onkel Ferdinands Kopf, dazu war er viel zu harmlos und viel zu wenig abgebrüht. Er schien sich bei seinem Freund Gustav Graser nicht gerade in der allerbesten Gesellschaft zu bewegen. Aber der Respekt vor seinen Jahren verhinderte mich daran, solche Gedanken laut werden zu lassen oder gar an seinen Freunden Kritik zu üben.

11

    Was sollte ich nun mit dem Rest meines Urlaubs beginnen? Von den drei kostbaren Wochen waren zwei inzwischen fast vergangen und, wie ich mir gestehen mußte, gänzlich nutzlos und sinnlos vergeudet und vertan. Sollte ich nicht wenigstens noch die letzten acht Tage ausnutzen und irgendwo hinfahren, wo das Wasser frischer als in unserem gestauten und allmählich übelriechenden Badetümpel war?
    Ich packte meinen Koffer, Minna bügelte mir ein paar Hemden, und beim Abendessen verkündete ich den Eltern meinen Entschluß, morgen nach München zu fahren und für eine Woche an den Starnberger See zu gehen, wo sich einer meiner Studienfreunde als Arzt niedergelassen hatte und auf meinen Besuch wartete. Er war noch Junggeselle, hatte aber die Absicht, im Herbst zu heiraten. Der alte Herr ließ sich nicht lumpen, er zückte die Brieftasche und überreichte mir als Reisezuschuß einen Fünfzigmarkschein. Ich fand es sehr anständig. Und gerade während dieses erfreulichen >Notenwechsels< läutete die Wohnungsglocke.
    »Wenn es dein Onkel Ferdinand ist...«, sagte Mutter warnend und legte jedem von uns rasch ein Schnitzel auf den Teller, »diesesmal wird er nicht zum Essen eingeladen! Und außerdem ist tatsächlich für jeden nur ein Schnitzel da!«
    Aber es war nicht Onkel Ferdinand. Als Minna ins Zimmer trat, tun den Besuch anzumelden, konnte man ihr von der Nasenspitze ablesen, daß etwas Ungewöhnliches geschehen sei. Sie verdrehte die Schultern, druckste herum, sah mich schließlich an, als könne sie es nicht fassen, und stotterte endlich, als mein Vater schon mit den Fingerspitzen auf den Tisch zu trommeln begann:
    »Ob Sie's glauben oder nicht, Herr Professor, es ist eine junge Tameh draußen, aber keine von Ihrem Seminar oder so, sondern sie möchte unbedingt den Hermann sprechen!«
    Dabei gebrauchte sie ein überdeutliches, zierliches Hochdeutsch und sah, während sie die Hände faltete wie Pontius Pilatus, nacheinander meine Eltern und mich kopfschüttelnd an. Es war das erstemal, daß ich im Hause meiner Eltern Damenbesuch empfing. Deshalb kam die Geschichte nicht nur Minna, sondern auch mir selbst ziemlich unwahrscheinlich vor.
    »Eine Dame? Zu mir?« fragte ich und ärgerte mich maßlos, weil ich spürte, wie mir das Blut in die Stirn schoß und sogar meine Ohrmuscheln zum Glühen brachte.
    »Eine junge Dame — zu dir!« antwortete Minna noch deutlicher und noch spitzer.
    Ich legte meine Serviette neben den Teller und erhob mich: »Entschuldigt mich für einen Augenblick, es kann sich nur um ein Mißverständnis handeln«, murmelte ich und ging hinaus. Dabei wäre ich beinah über die Perserbrücke gestürzt und mit dem Schädel gegen den Türdrücker gefallen.
    »Ob das der Grund für seine plötzliche Reise ist?« hörte ich meinen Vater noch wispern, und darauf die leicht entrüstete Antwort meiner Mutter: »Wo denkst du hin, Georg!

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