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Mein Onkel Ferdinand

Mein Onkel Ferdinand

Titel: Mein Onkel Ferdinand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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kamen wir in den Regentenpark und fanden dort unter einer Trauerweide eine Bank. Sie stand ganz in der Nähe eines kleinen Teiches, in dem Goldfische in kupferrot blinkenden Schwärmen gemächlich ihre Bahnen zogen. Das pavillonartige Entenhäuschen war leer. Erst vor kurzem hatte es in der Stadt eine große Empörung gegeben. Die hübschen chinesischen Enten waren von einem Rohling geschlachtet worden und sehr wahrscheinlich in die Bratpfanne gewandert.
    Wir ließen uns auf der Bank nieder, mit ziemlichem Abstand zwischen uns, so daß niemand auf die Vermutung kommen konnte, er habe etwa ein Liebespaar vor sich, und ich klopfte, allmählich nervös werdend, meine Taschen ab, ohne zu finden, was ich suchte.
    »Was haben Sie?« fragte Fräulein Drost besorgt.
    »Ich habe meine Zigaretten vergessen«, sagte ich nicht sehr liebenswürdig.
    Sie öffnete ihr Handtäschchen und überreichte mir mit einer Hokuspokusgeste eine angebrochene Zwölferpackung meiner Lieblingsmarke und eine Schachtel Zündhölzer. Dabei konnte sie sich die Bemerkung nicht verkneifen, sie hoffe, meine Laune werde sich nunmehr bessern...
    Ich hatte keine Lust, länger an der Oberfläche zu plätschern. Schließlich war anzunehmen, daß sie mich nicht aufgesucht hatte, um mich anzuöden oder sich von mir anöden zu lassen.
    »Also, Fräulein Drost, was gibt es? Was ist geschehen?« fragte ich geradeheraus.
    Sie zögerte mit der Antwort. Sie grub mit der Spitze ihres Schühchens — eines sehr modischen, hochhackigen Pumps mit geradezu beängstigend schlanker Spitze — einen kleinen Stein aus dem gewalzten Sandweg und füllte die kleine Vertiefung wieder mit Sand aus, den sie mit dem Sohlenrand herbeischarrte.
    »Ich nehme doch nicht an«, sagte ich hartnäckig bohrend, »daß Sie deshalb zu mir gekommen sind, um sich von mir vor meiner Reise zu verabschieden, wie?«
    Sie hob plötzlich das Gesicht und sah mich voll an, während ich den ausgegrabenen Stein zu mir heranangelte und damit gerade ein kleines privates Fußballspiel beginnen wollte.
    »Herr Murchison will mich heiraten!« stieß sie mit einer Art wilder Entschlossenheit hervor.
    Ich kickte den Stein mit der Fußspitze so kräftig an, daß er mit einem lauten Platscher mitten im Goldfischteich landete und versank. Die Wellenringe liefen nervös zu den Ufern.
    »Meinen allerherzlichsten Glückwunsch!« sagte ich eisig und schnippte den Zigarettenrest dem Stein nach. Mochten die Goldfische an Nikotinvergiftung draufgehen!
    »Ist das alles, was Sie mir zu sagen haben?« hörte ich Fräulein Drost fragen und sah sie eine Bewegung machen, als wolle sie sich erheben, um die Bank unter der Trauerweide mir allein zu überlassen.
    »Ich verstehe nicht, worüber Sie sich eigentlich wundem!« sagte ich heftig. »Sie geben diesem Burschen ein Rendezvous nach dem anderen, Sie lassen sich von ihm von Konzert zu Konzert und von Theatervorstellung zu Theatervorstellung schleppen, Sie hängen sich in seinen Arm und lassen sich von ihm heimbegleiten...«
    »O Gott, sind Sie gemein!« unterbrach sie mich flammend vor Zorn und Empörung.
    »... und wenn man Ihnen die Wahrheit sagt«, unterbrach ich sie unbeirrt, »dann werden Sie fuchsteufelswild und fangen an, mich zu beschimpfen.«
    »Die Wahrheit...!« fauchte sie mich an und ahmte dabei im höchsten Zorn und ziemlich ungezogen meine Stimme und meinen Tonfall nach. »Einmal bin ich mit Mister Murchison eine Stunde lang spazierengegangen! Einmal hat er meine Tante und mich zum Abendessen in sein Hotel eingeladen. Und ich nahm die Einladung wahrhaftig nur an, weil Tante Otti mir zuredete wie einem kranken Pferd. Und einmal habe ich mit ihm die Oper besucht, jene Vorstellung der »Hochzeit des Figaro«, bei der ich Sie sah. Aber ich habe meine Eintrittskarte bezahlt! Jawohl! Zwölf Mark und fünfzig! Ein Sündengeld! Von mir aus hätte ich mit der letzten Reihe vorliebgenommen...«
    »Und wie oft war er bei Ihnen im Laden?«
    »Im Laden!« fuhr sie mich an. »Schließlich ist der Laden ein Geschäft, zu dem jedermann Zutritt hat und aus dem ich niemand heraus werfen kann, der sich anständig beträgt!«
    »Und Mister Murchison hat sich anständig betragen, nicht wahr?« fragte ich grollend.
    »Natürlich hat er sich anständig betragen!« schrie sie, »sehr manierlich sogar!«
    »Weshalb schreien Sie mich eigentlich so an?« fragte ich böse. »Habe ich ihm etwa Veranlassung dazu gegeben, Ihnen einen Heiratsantrag zu machen? Oder haben Sie ihn dazu ermutigt?

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