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Mein Onkel Ferdinand

Mein Onkel Ferdinand

Titel: Mein Onkel Ferdinand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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Na also! Ich muß doch sehr bitten!«
    »Ich habe ihn nicht ermutigt! Nicht im geringsten! Und außerdem hat er mir persönlich noch gar keinen Heiratsantrag gemacht.«
    »Verzeihen Sie, Fräulein Drost«, unterbrach ich sie einigermaßen verblüfft, »aber Sie reden doch die ganze Zeit über davon, daß Mister Murchison Sie heiraten will.«
    Fräulein Drost faltete die Hände und schloß wie in einem Anfall von Mutlosigkeit die Augen.
    »Er hat heute nachmittag bei meiner Tante um meine Hand angehalten«, sagte sie schließlich, »morgen will er offiziell zu mir kommen, um sich meine Antwort zu holen.«
    »Das ist beste englische Schule!« bemerkte ich anerkennend. »Und ich bin davon überzeugt, daß Ihre Frau Tante von Herrn Murchison und seinen fabelhaften Manieren begeistert ist. Stimmt das oder stimmt es etwa nicht?«
    Fräulein Drost richtete sich auf. Ich hatte schon ein paarmal erlebt, daß sie vor mir in die Höhe wuchs. Diesesmal verwandelte sie sich dabei sogar in einen glitzernden Eisblock: »Jawohl!
    Tante Otti ist von ihm begeistert! Und um es rundheraus zu sagen: er hat sich mir gegenüber und auch meiner Tante gegenüber tadellos und wie ein richtiger Gentleman betragen. Davon beißt keine Maus einen Faden ab!«
    »Ja, zum Teufel«, sagte ich vor Wut zitternd, »dann ist es doch für Sie das große Glück, in das Sie hineintreten! Was wollen Sie eigentlich noch mehr? Jetzt erzählen Sie mir schon zum zweitenmal, was für ein fabelhafter Caballero dieser Bursche ist. Was hindert Sie also daran, seinen ehrenvollen Antrag anzunehmen und Lady Murchison zu werden?«
    »Was mich daran hindert?« konterte Fräulein Drost mit unverkennbarer Würde in ihrer Haltung: »Daß ich Herrn Murchison nicht liebe und daß ich nie im Leben daran denke, seine Frau zu werden! Das hindert mich daran, seinen Antrag anzunehmen!«
    »Das ist ein klares Wort!« sagte ich beifällig, »und aus diesem klaren Wort ergibt sich eine klare Schlußfolgerung: schmeißen Sie den Burschen 'raus, sobald er bei Ihnen die Nase zur Ladentür hereinsteckt!«
    »Wenn man Sie reden hört, dann möchte man meinen, daß es sich darum handelt, einen Lumpen- und Alteisenhändler vor die Tür zu setzen«, sagte Fräulein Drost kopfschüttelnd, aber ich merkte ihr an, daß ihr mein bündiger Vorschlag insgeheim imponierte. »Nein, so einfach geht das nicht. Es ist für mich schließlich nicht ehrenrührig, einen Heiratsantrag zu bekommen. Aber ebensowenig ist es von Mister Murchison unehrenhaft, mir einen Heiratsantrag zu machen.«
    »Aber es ist für ihn auch keine Schande, einen Korb zu bekommen. Und Sie begehen kein Verbrechen, wenn Sie ihm einen Korb geben.«
    »Ja... gewiß«, seufzte sie laut.
    »Warum stöhnen Sie eigentlich?« fragte ich. »Immerhin ist Körbe geben doch bedeutend angenehmer als Körbe in Empfang zu nehmen.«
    »Sie haben leicht reden, Herr Doktor Martin«, murmelte sie. »Vor einer Stunde sagte mir meine Tante, daß Murchison bei ihr gewesen sei, um sich bei ihr nach seinen Aussichten bei mir zu erkundigen. Es traf mich wie ein Schlag. Und ich gestehe Ihnen ganz offen, daß ich noch immer völlig durcheinander bin. Auf alles war ich vorbereitet, nur auf das nicht. Wie kommt dieser Mensch darauf, nachdem man sich kaum kennengelernt hat?«
    »Und dann sind Sie also gleich zu mir gelaufen?« fragte ich und spürte, wie sich in meinem Körper eine sanfte Wärme auszubreiten begann, die sehr angenehm war und direkt von rechts herüberzuströmen schien, wo Fräulein Drost in einem guten Meter Entfernung von mir auf der Bank saß.
    »Nun ja«, antwortete sie leise und mit vielen Pausen und Stockungen zwischen den Worten, »wir hatten ans neulich doch so freundschaftlich unterhalten. Und da ich sonst keinen Menschen kenne, mit dem ich über solch private und intime Angelegenheiten sprechen kann... Und dann war ich auch völlig kopflos vor Überraschung...«
    Daß sie aus lauter Kopflosigkeit zu mir gelaufen war, kühlte mich erheblich ab.
    »Jedenfalls war es für mich keine allzu große Überraschung«, sagte ich, »daß dieser Schuft Ihnen einen Heiratsantrag gemacht hat. Ich habe so etwas fast kommen sehen. Allerdings nicht mit dieser Geschwindigkeit...«
    »Der Ausdruck Schuft dürfte wohl fehl am Platze sein!« sagte Fräulein Drost genau mit der Stimme von Frau Klabus, meiner Lehrerin in der ersten Volksschulklasse, wenn sie mir einen Verweis erteilte, weil ich das Wort >ganz< mit einem Ringel-S statt des Z geschrieben

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