Mein perfekter Sommer
schießen noch zwei Mal in die Tiefe, ehe der Fluss sich wieder eben vor uns erstreckt, bis dahin bin ich völlig durchweicht und stehe unmittelbar vor einem Nervenzusammenbruch. Auf einer ruhigen Strecke hole ich Reeve schließlich ein.
»Lustig, was?« Seine blauen Augen funkeln vor Aufregung.
»Lustig?«, keuche ich, den Mund voller Flusswasser. »Was zum Teufel war das denn? Ihr hättet mich warnen können!«
»Ach, komm runter, ist doch cool.«
Gewandt schießt er zwischen zwei bedrohlich wirkenden Felsnasen hindurch. Nach einem schnellen Gebet schlingere ich hinter ihm her. »Und wenn du gewarnt werden willst, in Ordnung – vor uns liegen noch drei Abschnitte.«
Unfassbar dieser Typ.
»Nein.« Beim ersten Mal sage ich das so leise, dass ich es nicht mal selber hören kann, deshalb brülle ich es noch mal, lauter über das Tosen des vor uns liegenden Wasserfalls hinweg. »Nein!«
Nichts deutet darauf hin, dass mich irgendwer gehört haben könnte. Die beiden anderen Kajaks tauchen hinter der Biegung ab, ich bleibe mitten auf dem Fluss allein zurück und paddele verzweifelt rückwärts. Noch drei Wasserfälle? Ich will nicht mal einen Schlag weiter in diesem winzigen Höllenkahn, noch ein paar Meilen kommen überhaupt nicht infrage. Doch mit meinem schwachen Paddeln habe ich dem Strom nichts entgegenzusetzen. Sobald ich ermüde, werde ich vorangetrieben, auf die unvermeidlichen Stromschnellen zu.
Ich habe absolut keine Kontrolle über das Geschehen. Mir bleibt nichts anderes übrig, als durchzuatmen, die Augen zu schließen und mich auf das Schlimmste gefasst zu machen.
11. Kapitel
»Zeig mir noch mal die Stelle, an der sie kentert!«
»Warte, warte … hier ist es! Und dann … krach! Mann, dieser Bieberdamm hatte keine Chance.«
Grady lacht noch, als wir längst wieder in Stillwater angekommen sind. Die letzte Stunde haben die Jungs fröhlich diesen Camcorder herumgereicht und jedes Mal vor Erheiterung geprustet, wenn sie meine Bruchlandung von Neuem abgespielt haben. Was als harmlose Neckerei anfing, hat mittlerweile meinen Geduldsfaden so strapaziert, dass ich gar nicht schnell genug von ihnen wegkommen kann.
»Ich hab’s ja kapiert: Ich bin der Brüller«, melde ich mich von hinten. »Könnt ihr jetzt nicht mal Ruhe geben?«
Reeve ignoriert mich. »Spul mal vor zu der Stelle, wo sie über diesen Stein stolpert. Genau, da!« Ich höre meinen erschreckten Aufschrei, als mein Fuß hängen bleibt und ich mit einem riesigen Platsch in den Fluss falle.
Ich drücke mich tiefer in die nassen Polster, schaue kläglich aus dem Fenster, als wir auf Susies Haus zufahren. Schlimm genug, so zu kentern, aber im selben Zug hab ich
ein geschütztes Habitat zerstört, indem ich durch das Geflecht aus Stöcken und Ästen gebrochen bin wie durch den Schutzwall einer Rennbahn. Und sie haben natürlich alles gefilmt.
Wir halten am Vorgarten. »Pass auf, wo du hintrittst«, zieht Ethan mich auf. »Du sollst ja nicht schon wieder stolpern.«
Wütend funkele ich ihn an und rutsche aus dem Pick-up. Mein Haar klebt klatschnass am Kopf und ich bin bis zur Unterwäsche durchweicht. Ich will nur noch eine heiße Dusche und irgendwas Trockenes zum Anziehen. Ach ja, und meine Würde zurück. »Kann ich die Kamera jetzt haben?«
»Weiß nicht …« Reeve lässt sie aus dem Fenster baumeln, gerade so, dass ich nicht rankomme. Ich versuche, sie ihm abzunehmen, aber mit einem Dauergrinsen zieht er sie wieder in die Fahrerkabine.
»Ihr wolltet, dass ich den Film bearbeite!«, protestiere ich und recke mich wieder nach der Kamera. »Wo sind wir hier denn? In der fünften Klasse?«
»Wie heißt das Zauberwort?«, ruft Ethan rüber. Sein Grinsen ist freundlich, aber mein Geduldsfaden reißt.
»Sofort!« Endlich kann ich mir die verdammte Kamera schnappen und sie Reeve aus den Händen winden. Ich hab zu diesem verfluchten Ausflug nur ja gesagt, weil ich mich mit ihnen anfreunden wollte, aber die waren so damit beschäftigt, über mich abzulästern, dass ihnen kaum Zeit zum Luftholen geblieben ist.
»Sie ist gestresst«, teilt Reeve den anderen mit, so als wäre ich gar nicht da.
Grady nickt. »Wahrscheinlich ist sie einfach nur wütend, weil sie ihre Frisur ruiniert hat. Und die ist echt ganz schön im Eimer.«
»Nicht so wie der Damm von diesem armen Bieber allerdings.«
»Mmmmmh!« Ich unterdrücke einen frustrierten Laut und gehe aufs Haus zu, bei jedem Schritt quatscht das Wasser in meinen Schuhen. Sie lachen
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