Mein perfekter Sommer
nicht an, wir rufen dich an«, wirft Grady ein. Anscheinend ist das nicht böse gemeint, deshalb zwinge ich mich zu einem Lachen.
Ich beschließe, meinen Aufenthalt bei ihnen zu beenden. »Ich äh muss noch allerlei erledigen.«
»Wir sehen uns dann zu Hause.« Adam lächelt mir aufmunternd zu. Reeve nickt zum Abschied, aber das ist auch alles. Die Jungs sind wieder unter sich und reden weiter.
Schnell gehe ich weg, meine Flipflops klatschen auf dem Asphalt.
Ich weiß zwar, dass sie nur so zu mir sind, weil ich neu bin in der Stadt und solche Sachen eben Zeit brauchen, aber ich hab es einfach so satt mich anzustrengen. Mich zu bemühen,
freundlich zu sein, lustig zu sein – ständig muss ich aufpassen, ihre blöden Witze belachen und so tun, als machte mir das nichts aus.
Aber das tut es.
Ich verschwinde im nächsten Laden und blinzele, weil es so dunkel ist. Das hier ist der Landkartenladen, geht mir schnell auf. Im Hauptverkaufsraum stehen in der Mitte ein paar Tische; Landkarten und Fremdenverkehrsplakate sind an die Wände gepinnt worden, wo sie vergilben und verblassen. Weitere Landkarten knittern in Kisten auf dem Fußboden dahin und es gibt stapelweise große Bände über die Bergwelt und die Grenzen der Forstwirtschaft. Ich gehe um einen verstaubten Tisch herum und überlege, wann ich mich wohl gefahrlos wieder nach draußen trauen kann. Schließlich kann ich mich nur eine begrenzte Zeit in einem Raum voller alter Papiere aufhalten, aber dann sehe ich die Tür zu einem zweiten, hinteren Raum.
Bingo.
Regale voller staubiger Taschenbücher bedecken jede Wand, von alten Sci-fi Romanen über Krimis bis hin zu meinen persönlichen eskapistischen Favoriten, den historischen Nackenbeißerromanen. Seit ich hier bin, hab ich nichts anderes zum Durchblättern gehabt als Fionas blöde Fantasyromane (voller Figuren mit Namen wie Faa und Gdun, die sich auf den Weg machen, die Stadt Liinck vor dem bösen Magushun-Stamm zu beschützen), also picke ich mit einem zufriedenen Seufzer einen Armvoll infrage kommender Titel von den durchhängenden Regalen und entscheide auf
dem Stuhl in der Ecke darüber, welche beherzte-jedoch-historisch-korrekte Heldin mich meiner Sorgen entheben darf.
»Suchst du etwas Bestimmtes?«
Die Stimme erschreckt mich. Ich zucke von meinem Platz hoch und stoße dabei gegen einen Bücherstapel, der auf dem Regal neben mir schwankt. Ich will ihn noch festhalten, aber da poltern die Bücher schon auf den Boden.
»Mist! Tut mir leid.«
»Macht nichts.« Die Besitzerin der Stimme tut mein Bedauern mit einer wedelnden Handbewegung ab. Es ist eine stämmige Frau um die fünfzig oder sechzig mit langen, zu einem Zopf geflochtenen grauen Haaren. Sie trägt ein weißes Hemd, Khakihosen und ein Paar abgenutzte Wanderschuhe. »Von denen habe ich sowieso zu viele, die stehen hier nur rum und verstauben.«
Ich krieche auf dem Boden herum und sammele die Bücher wieder ein. Es scheint sich um alte Ratgeber zu handeln, so von der Art: Wie finde ich mit nichts als Nadel und Magnet meinen Weg durch die Wildnis.
»Du bist doch Susies Mädchen, oder?« Mit aufmerksamen blauen Augen starrt sie mich an. »Hab schon viel von dir gehört.«
»Ich bin ihr Patenkind«, erkläre ich erschüttert. Der Akzent dieser Frau ist kanadischer als alles andere, was ich bisher gehört habe. Die Jungs und Fiona könnten genauso gut als Amerikaner durchgehen, aber bei diesem Tonfall gibt es kein Vertun. »Ich … äh bleib nur den Sommer über hier.«
»Aha …« Nachdenklich schaut mich die Frau an. Voll
Unbehagen trete ich von einem Fuß auf den anderen und greife nach meinem Stapel Liebesromane.
»Die hier wollte ich mitnehmen …«
Sie nickt und geht mit großen Schritten zurück in den Hauptverkaufsraum. Ich folge ihr und lege die Bücher auf dem Verkaufstresen ab, bis ich sämtliche Taschen nach Kleingeld abgesucht habe.
» Atemlose Verführung, Blinde Leidenschaft ….« Die Frau liest die Titel beim Aufschreiben sichtlich amüsiert vor. Mir ist das peinlich, vor allem als die Titelbilder – lauter bebende Busen und barbrüstige Männer – ordentlich nebeneinander auf dem Tresen liegen. »Und Das Überlebenshandbuch für den modernen Bergbewohner . Sie legt noch einen zerfledderten grünen Band dazu.
»Oh, nein … das muss aus Versehen dazwischengerutscht sein.« Dies ist ein Titel ohne bebende Busen, auf dem eingerissenen Schutzumschlag ist nur ein Schwarz-Weiß-Foto von einem rauen jungen
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