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Mein perfekter Sommer

Mein perfekter Sommer

Titel: Mein perfekter Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: cbj Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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Augenblick lang bin ich in Versuchung, im Alpöhi-Handbuch nach Ratschlägen für den Umgang mit tollwütigen Tieren zu suchen, aber dann fällt es mir wieder ein: Ich habe es Olivia in meinem letzten Päckchen geschickt, mit einigen Fotos von Stillwater und einem T-Shirt mit dem Aufdruck Johnson’s Eisenwaren . Ich hatte gedacht, meine Arbeit hier wäre getan, aber ich vermute, das war zu optimistisch.
    Bösartige Blicke schleudernd mixt Fiona weiter, soll sie doch, denke ich mir. Schließlich bin ich gar nicht so erpicht drauf, dass sie meine Sicherungsleine hält oder wie immer man das nennt, was einen vor einer Felswand baumelnd vor dem Absturz bewahrt.
     
    Eine Stunde später bin ich mir da weniger sicher. Es hat sich nämlich herausgestellt, dass Ethan und Grady zu Haus bleiben und bei einer Lieferung für den Laden helfen müssen. Also sind wir ganz allein: ich, Reeve und die bedrohlich
wirkende Felswand. Moralische Unterstützung wäre in dieser Situation schon was ganz Tolles. »Und du willst, dass ich da hoch klettere?« Entsetzt starre ich nach oben. »Mit meinen bloßen Händen?«
    »Nicht bloß.« Reeve lacht. »Du hast doch Handschuhe, hier, siehst du?« Er gibt mir ein kleines Paar steife, fingerlose Handschuhe. Das Leder rollt sich am Rand ein und sie sind ganz weiß von altem Harz.
    »Wow«, sage ich mit schwacher Stimme. »Damit ist das natürlich überhaupt kein Problem.«
    Wir sind tief in den Wäldern, am angeblich besten natürlichen Kletterplatz im Umkreis von Meilen. Graue Felsnasen stechen überall aus dem Hügel heraus, an manchen Stellen sind sie von Moos und Gestrüpp überzogen. Sie werfen lange Schatten auf das darunterliegende Blattwerk, das uns in ein kühles grünes Licht hüllt.
    Mein Entsetzen ist anscheinend nicht zu übersehen, denn Reeve zeigt Mitleid mit mir. »Das ist gar nicht so unheimlich, echt nicht. Guck mal, da sind jede Menge Vorsprünge und Höhlungen, an denen du Halt findest. Wenn es eine Leiter bis nach oben gäbe, wäre das auch nicht einfacher.«
    »Aha.« Ich schlucke. Dieses winzig kleine Problem, das ich mit Höhe habe, kommt mir plötzlich gar nicht mehr so klein vor.
    »Das wird dir Spaß machen, ehrlich.«
    Da habe ich so meine Zweifel. Mein Plan war gewesen, heute ganz sicher am Boden zu bleiben, aber aus irgendeinem bescheuerten Grund hab ich die ganze Sache nicht
abgeblasen, als ich erfuhr, dass wir beide allein wären. Reeve hat sich beim Organisieren dieser Tour so viel Mühe gegeben. Und jetzt, wo wir allein sind, bringe ich es nicht fertig, einen Rückzieher zu machen und als erbärmliche Figur dazustehen.
    Reeve streift seine Handschuhe über, er hat nicht die leiseste Ahnung, dass allein die Nähe zur Felswand bei mir zu Magenverschlingungen führt. »Ich geh voran.« Er grinst frech. »Dann wirst du schon sehen, wie leicht das ist.«
    »Moment mal, legst du denn keine Rüstung an oder …« Ehe ich ausgeredet habe, ist er schon behände auf einen kleinen Felsvorsprung gehüpft, der etwa einen Meter über dem Boden herausragt. Seine Hände tasten über den Fels, suchen sich einen Halt und bald darauf ist er schon vier, fünf Meter höher geklettert.
    »Siehst du?« Er dreht sich um und ruft zu mir runter. »Leicht.«
    Ich schlucke. Er hat kein Seil, Netz oder sonst was, nur enge Leinenschuhe und nackte Arme, dennoch klettert er so mühelos die lotrechte Wand hinauf, als würde er nichts wiegen. Die Schwerkraft kann ihm offensichtlich nichts anhaben.
    »Schau auf meine Füße«, ruft er. »Du musst die Beine benutzen und dich hochdrücken. Such dir kleine Unebenheiten im Fels, auf denen du stehen kannst.« Wie aufs Stichwort setzt er seinen rechten Zeh in einer dünnen Spalte im Fels ab, nutzt die Kraft, um sich hochzudrücken, und greift nach einem Vorsprung. Ich schnappe nach Luft. Für ein
paar Augenblicke hängt sein ganzer Körper an den Fingerspitzen, dann entdeckt er wieder einen Halt und schwingt sich zur Seite, damit er drankommt.
    Bis er die Spitze des Felsens erreicht hat, ist mein Magen nicht mehr nur ein bisschen verschlungen, sondern fest verknotet.
    »Siehst du? Nichts Beunruhigendes!« Reeve schlittert den Geröllpfad hinunter, der sich am Fels entlang schlängelt. Meiner Ansicht nach ist das der vernünftige Weg nach oben.
    »Und du bist ganz sicher nicht von einer radioaktiven Spinne gebissen worden oder so?« Ich versuche das Unvermeidliche noch ein kleines bisschen hinauszuschieben. »Hey, warte mal eben, ich brauch noch ein

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