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Mein perfekter Sommer

Mein perfekter Sommer

Titel: Mein perfekter Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: cbj Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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Reichweite.«
    Zaghaft lasse ich mit der einen Hand los und greife nach dem Vorsprung. »Ist zu weit weg!«, schnell klammere ich mich wieder an die Spalte vor mir. Meine Hände tun weh, aber ich trau mich nicht, den Griff zu lockern. »Ich kann nirgends hin!«
    »Schsch, alles in Ordnung, Jenna. Einfach nur atmen.«
    »Aber ich kann mich nicht bewegen!« Ich schnappe nach Luft. Davon werd ich auch nicht ruhiger. »Reeve?«
    »Willst du runter …?«
    »Ja!«, schreie ich, ehe er ausreden kann.
    Reeve lacht, Ruhe und Zuversicht verströmend. »Okay, du wirst die Wand loslassen und dich zurücklehnen müssen. Halt dich einfach an deinem Geschirr fest und gehe rückwärts runter.«
    Loslassen? Rückwärts gehen? Einfach?
    Wie angewurzelt bleibe ich, wo ich bin, Angst lässt
meinen Körper erstarren. Darauf hätte ich mich niemals einlassen dürfen, ich hätte sicher am Boden bleiben sollen. Leuten, die glauben, sie könnten die Schwerkraft an der Nase herumführen, passieren schlimme Dinge: Dinge, die mit Stürzen und Schmerz zu tun haben  – und blutigem, Knochen zermalmendem Tod.
    Und dann guck ich nach unten.
    »Oh Gott«, wimmere ich. »Ich sterbe.«
    »Nee, tust du nicht!«, behauptet Reeve unerschütterlich. Typisch. Er hat ja auch festen Boden unter den Füßen. Da unten.
    »Vielleicht sterb ich nicht. Vielleicht brech ich mir ja auch nur das Genick.«
    »Du musst dich bewegen, Jenna. Atme einfach durch und lehn dich nach hinten über. Du hast dein Seil, du kannst nicht fallen.«
    Wir warten beide.
    »Okay, wie wär’s mit Plan B?« Reeve klingt immer noch entspannt. »Halt dich fest, ich komm hoch.«
    »Und mein Sicherungsseil  – was ist damit?«
    »Das sichere ich  – keine Sorge.«
    Eine Zeit lang höre ich nur Kratzen und Scharren. Ich kriege einen Wadenkrampf. Und ich mag gar nicht dran denken, was passieren wird, wenn meine Beine nicht mehr mitmachen.
    »Hey.« Ich höre Reeves Stimme, ganz atemlos, unmittelbar neben mir. Nun zwinge ich mich dazu, den Kopf zu drehen und die Wange gegen den kühlen Fels zu schmiegen. Er
ist eine andere Route geklettert und etwa 1,50 m von mir entfernt, gerade eben außer Reichweite. So ganz beiläufig schaut er zu mir rüber, als hätten wir uns zufällig hier getroffen. Weil ich mich ja gewohnheitsmäßig mit hemdlosen, verschwitzten Kletterern mitten in Felswänden treffe. »Und was läuft?«
    Ich geb ein gurgelndes Geräusch von mir, Lachen und pure Angst zu gleichen Teilen.
    »Na dann wollen wir mal sehen, ob wir dir auf die Sprünge helfen können.« Er schaut sich meine Haltung an. »Stehen deine Füße bequem?«
    Ich schüttele den Kopf.
    »Also, ich seh da einen Vorsprung neben deinem Fuß. Es würde dir helfen, wenn du dich streckst.«
    Ich bleibe wie erstarrt kleben.
    »Ich will mich ja bewegen«, erkläre ich verzagt. »Und ich denke daran, mich zu bewegen. Aber wenn es darum geht, tatsächlich in Bewegung zu kommen …«
    »Schon okay.« Reeves Stimme ist sanft und beruhigend. »Lass dir Zeit.« Ich nehme den allerletzten Mut zusammen und zwinge meinen Fuß dazu, sich zu bewegen, nur ein paar Zentimeter. »Fast geschafft!«, verspricht Reeve. »Nur noch ein Stück weiter.« Ich knirsche mit den Zähnen und schiebe den Fuß noch ein kleines bisschen weiter. »Da! Fühlst du das? Verlagere das Gewicht.« Ich tu, was er sagt, und sofort lässt der Schmerz in meinen Beinen nach.
    »Danke«, sage ich kleinlaut. »Und, tut mir leid.« Ich komm mir völlig unfähig vor.

    »Schon okay«, versichert er mir. »Mir tut’s auch leid. Immerhin hatte ich ja versprochen, dass es dir Spaß machen würde.«
    »Hat es auch!«, keuche ich. »Irgendwie. Bevor ich die Kontrolle über meine Gliedmaßen verloren habe und vor der Megapanikattacke.«
    Wieder lacht er und das Geräusch ist seltsam beruhigend. »Und was willst du jetzt machen?«
    »Äh, hab ich denn Wahlmöglichkeiten?« Ich atme noch mal. »Okay, vielleicht bleib ich hier einfach eine Weile, bis ich mich aus der Erstarrung gelöst habe und mich wieder bewegen kann?«
    »Dann bleiben wir, wo wir sind.« Reeve bringt sich in eine bequemere Position. Ich wünschte, ich könnte mir diesen Luxus erlauben. »Und, wie geht’s denn so?«
    Ich kann nicht anders, ich muss lächeln, ein kleines, armseliges Lächeln, aber immerhin ein Lächeln. »Ach, ganz toll. Ich häng viel rum.«
    »Aua!« Reeve grinst mich an.
    »Ja, na, ich bin irgendwie zerstreut.« Ganz gegen meinen Instinkt gucke ich wieder runter

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