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Mein Sanfter Zwilling

Mein Sanfter Zwilling

Titel: Mein Sanfter Zwilling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nino Haratischwili
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Wir hörten Anita Baker, die einzige Kassette, die ich fand.
    – Du bist wer Besonderes, sagte ich zu ihr, auf der engen Veranda sitzend, während die Stadt strahlte und funkelte.
    Salome lächelte mich an und legte den Kopf ein wenig schräg. Dann nickte sie einfach nur, als wisse sie alles, bevor ich es aussprach.
    Dann bat ich sie, mir was vorzusingen, und ohne etwas zu erwidern, fing sie an zu singen. Ihre Stimme verzauberte mich, sie sagte mir immer wieder aufs Neue: Egal, wie beschissen das Leben ist, alles wird trotzdem gut.
    Ich hörte ein Rascheln, er zog sich aus. Ich war im Dämmerzustand und wusste weder, wie spät es war, noch wann ich eingeschlafen war. Er begann meine Hose aufzuknöpfen, denn ich war noch angezogen. Er half mir aus meinem Leinenhemd, meinen BH legte er behutsam auf die Seite. Ich schlug die Augen auf und sah, dass es bereits hell wurde.
    – Du hast so selig geschlafen, sagte er. Er war nicht nüchtern, aber er hatte nicht getrunken, es war kein Alkohol, er roch nicht danach. Ich rutschte ein wenig zur Seite, und er kam nackt ins Bett.
    – Du hast was genommen?, murmelte ich.
    – Dreh dich um.
    – Wir können nicht unser Leben lang fliehen, protestierte ich, als er mir den Slip herunterzog. Ich staunte jedes Mal, wie kontrolliert er trotz Drogen war. Wie selten er sich aus der Fassung bringen ließ. Wie beherrscht er war, trotz der Müdigkeit des Rausches.
    – Wir fliehen nicht, wir sind doch hier …
    Er begann, meinen Körper zu küssen. Leicht über mich gebeugt, rutschte er nach unten.
    – Ich mag das nicht, erwiderte ich, während er meine Beine auseinanderbog.
    – Was?
    – Diese Geheimnistuerei, dieses Verhalten von dir.
    Als Antwort legte er den Kopf zwischen meine Beine.
    Ich rollte zur Seite, immer noch angespannt, bebend, zitternd, zusammengekauert wie ein Embryo. Ich wusste, dass ich gleich den Punkt treffen musste, wenn er wund und zerbrechlich war, um ihn zu fassen. Er atmete schwer und streichelte meinen Rücken. Die ersten Sonnenstrahlen durchbrachen den Himmel und schnitten ihn in Scheiben. Die frische Morgenluft strömte durchs Fenster. Ich deckte mich mit dem weißen Laken zu.
    – Ich habe das Foto gefunden.
    – Was, welches Foto?, fragte er müde. Er lag auf dem Rücken, nackt, zufrieden, und wartete auf seine Belohnung nach seiner Mühe.
    – Das Bild. Du und ich, einen Tag bevor deine Mutter starb. Sie hat das Foto gemacht. Jetzt erinnere ich mich wieder.
    Als ich die Worte aussprach, war die Erinnerung wieder da. Damals, als Emma sich an uns heranschlich und uns mit der Kamera überraschte. Ich erinnerte mich an jenen verregneten Tag. Ich erinnerte mich an jedes Detail, an jeden Winkel des Gartens, an jeden Geruch, an jedes Geräusch, denn es war der letzte Tag, an dem ich mit Ivo gesprochen hatte. Erst nach der Gerichtsverhandlung sah ich ihn in einer Kinderklinik wieder, wo man mich zu ihm brachte, da er dauernd meinen Namen gerufen hatte.
    Es war der Tag, an dem Ivos Vater nach Hause kam. Der Tag, an dem Vater kurz zum Einkaufen gefahren war und wir dann zusammen gekocht hatten. Gemüseeintopf und Bratkartoffeln. Frank und Emma waren danach hochgegangen, wie immer, in das Schlafzimmer am Ende des Ganges. Ivo und ich hatten im Garten mit dem Hund gespielt, der Pidy hieß. In meiner Erinnerung hatte ich ihm den Namen entzogen, aber nun wusste ich plötzlich wieder, dass er Pidy hieß. Es hatte geregnet, der Boden war matschig. Wir rannten und versteckten uns, um dann durch das Hundegebell aufgestöbert zu werden. Sein schwarzes, glänzendes, feuchtes Fell, in das ich griff, der Duft des nassen Tiers, ich hatte alles wieder vor mir, als wäre es heute gewesen.
    – Das Foto?
    Er setzte sich auf und zog die Beine an.
    – Wo?
    Wie ungläubig wiederholte er das Wort immer wieder.
    – Wo?
    – In deinem Laptop.
    – Wie kommst du an meinen Laptop?
    – Ich habe dein Passwort gefunden.
    – Du hast in meinen Dateien rumgewühlt!
    Seine Stimme war schroff, er wirkte auf einmal absolut nüchtern. Ich lehnte mich an die kühle Bettwand und deckte mich mit dem Laken zu. Meine Nacktheit machte mich verletzlich. Seine Nacktheit jedoch war wie ein Panzer. Er zog die Beine dicht an sich heran, um sich für die Schlacht zu wappnen, die jetzt kommen würde, denn es würde eine Schlacht werden. Seine Augen glänzten im Morgenlicht, seine Muskeln spannten sich an, und ich erkannte diese seltsam extreme Konzentration in seinem Gesicht. Ich kannte sie von den Momenten,

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