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Mein Sanfter Zwilling

Mein Sanfter Zwilling

Titel: Mein Sanfter Zwilling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nino Haratischwili
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in denen er bereit war, gegen die ganze Welt zu kämpfen, blind in seinem Zorn.
    Er sprang auf, griff nach einer Zigarette, zündete sie hastig an, ihr Aufglimmen im noch blassen Licht machte seinen Anblick noch befremdlicher, noch aggressiver.
    – Du spielst doch irgendein verficktes Spiel, verdammt noch mal, du weißt ganz genau, wohin es geht, du spielst mit mir. Du kommst nach sieben Jahren zurück und bringst mich dazu, alles stehen- und liegenzulassen, sogar meinen Sohn, und dann verheimlichst du mir alles. Was denkst du, wer du bist? Du hast mein Leben ruiniert, und ja, ich bin blind und dumm, dass ich dir geglaubt habe. Dass ich dir erneut gefolgt bin. Du hast mein ganzes Leben bestimmt, du Arschloch, du hast alles immer nach dir gerichtet, gelenkt, als wärst du der liebe Gott. Das bist du nicht, das habe ich dir gesagt! Ich mache da nicht mit. Jetzt nicht mehr. Jetzt steht mein Sohn auf dem Spiel, und ich liebe ihn, ja, auch wenn für dich Liebe ein Fremdwort ist, ich liebe ihn, und ich sehe nicht ein, warum ich für weitere Demütigungen, weitere Enttäuschungen alles aufgeben soll, was ich liebe.
    – Liebe, Liebe, was soll das?
    – Hör doch auf. Du weißt nicht mal, was Liebe bedeutet! Was du für Liebe hältst, ist eine egozentrische, kranke Sucht!
    Während ich immer lauter wurde, wurde er immer gefasster, ruhiger, nachdenklicher. Er hörte mir genau zu, jedes Wort speicherte er, und ich wusste nicht, ob es eine Ruhe vor dem Sturm war oder ob er sich geschlagen gab, bevor er richtig ausgeholt hatte.
    – Und was bitte für eine Scheiße willst du hier klären, Ivo? Sag es mir, ich gebe dir doch alles, ich habe nichts mehr, ich lebe sogar schon von deinem Geld, lasse mich quasi aushalten.
    – Erniedrige dich nicht. Ich hasse es, wenn du das tust.
    – Ah ja? Und weißt du, was ich hasse, was ich an dir hasse? Dass du so verdammt selbstgefällig bist! Dass es dich einen Scheißdreck interessiert, wie es mir geht, wie ich mich fühle. Was ist mit den sieben Jahren? Was hast du dir dabei gedacht?
    – Du hast eine Pferdedosis Schlaftabletten geschluckt, wenn ich dich daran erinnern darf, du wolltest sterben, Stella, und ich kann nicht noch mehr Schuld auf mich laden. Ich kann nicht.
    – Ich wollte, dass du mich liebst, ich wollte nicht sterben, wie blöd bist du eigentlich? Schuld? Schuld, mein Gott! Ich bin die Schuldige, das weißt du, ich bin es, und mein Leben lang warte ich darauf, dass du es offen aussprichst, dass du mich verurteilst, von mir aus strafst, ein für alle Male, endgültig, damit dieses Hin und Her endet!
    Mein Herz pochte und schlug wie wild. Ich stand auf, eingehüllt in das Bettlaken, und ging ans Fenster, um frische Luft zu atmen. Ich hatte das Gefühl, zu ersticken. Die Umrisse des Zimmers, der Stadt, die sich unter mir ausbreitete, verschwammen vor meinen Augen, und ich musste mich an der Fensterbank festhalten, um nicht umzukippen.
    Er näherte sich mir, ich hörte seine nackten Füße auf dem Fußboden. Ich starrte hinaus, ich würde seine Berührung nicht überstehen. Ich klammerte mich an das Holz der Fensterbank, meine Hand verkrampfte sich, so fest hielt ich mich.
    – Es war keine Strafe!
    Er drückte mit seinem Daumen auf meine Wirbelsäule, die Fingerkuppe war feucht und kalt. Ich zuckte zusammen.
    – Ich habe dich niemals strafen wollen. Daran habe ich niemals gedacht, hörst du? Das darfst du niemals glauben, nie! Ich habe alles versucht, bitte glaub mir, Stella. Ich habe es versucht.
    Er zupfte am Laken, und der Stoff fiel zu Boden. Ich unternahm keinen Versuch, mich wieder zu verhüllen. Im harten Sonnenlicht kam mein weißer Körper, jeder Streifen, jede Pore, jede Narbe, jeder Kratzer gnadenlos zum Vorschein. Er hatte diesen Körper mit sechs, mit zehn, mit fünfzehn, mit zweiundzwanzig und jetzt, mit sechsunddreißig gekannt. Er kannte seine Verstecke und die Schwachstellen, die Punkte, die mich zur Weißglut trieben, und die Stellen, die mir Ruhe verschafften, er kannte das, was mein Körper zu verdecken versuchte. Es machte mir Angst, dass er hinter mir stand, mich musterte, aber ich hatte mir fest vorgenommen, diese Schlacht nicht zu verlieren, mich diesmal nicht besänftigen zu lassen, diesmal würde seine Berührung nichts ändern.
    Seine Fingerspitze kroch über mein Schlüsselbein, ich begann zu zittern.
    – Meine Liebe ist nun mal so, und ich bin nun mal so, das habe ich dir schon damals gesagt, als du dich am Strand ausgezogen hast. Ich wollte uns

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