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Mein Sanfter Zwilling

Mein Sanfter Zwilling

Titel: Mein Sanfter Zwilling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nino Haratischwili
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all die Zeit beweisen, dass wir keine Buße tun mussten, dass dich keine Schuld traf, ich wollte dir und mir das beweisen. Mein ganzes Leben habe ich dafür diese Indizien gesucht, warum willst du das nicht sehen?
    Er leckte an meiner Ohrmuschel und strich mir die verklebten Haare aus dem Gesicht. Seine Hand umfasste meine Taille, und ich sah auf seine Hand, sah seine krankhaft kurzen Nägel. Ich würde es überstehen, ich würde nicht nachgeben.
    Er drückte mir die Hand um den Hals und presste zu.
    Würde ich mich umdrehen, mich wehren, würde er mir wehtun. Er beugte mich leicht vor und legte seine Hand auf meinen Hintern. Ich erstarrte und hielt den Atem an. Ich verspürte eine Art Übelkeit, ich wusste, dass seine Ruhe, seine gezielten Bewegungen nichts Gutes verhießen, ich versuchte tief durchzuatmen, um meine Angst vor ihm geheim zu halten.
    – Warum bist du nach Hamburg zurückgekommen? Warum? Du wusstest, wie es kommen würde, flüsterte ich, während er mir meine Beine auseinanderschob und mit der anderen Hand meinen Kopf umklammerte, so, dass er mich immer weiter nach vorne stieß, bis ich mich schließlich mit dem Oberkörper aus dem Fenster lehnte. Meine Übelkeit wuchs, und ich fürchtete, mich gleich übergeben zu müssen.
    – Ich bin nicht zurückgekommen nach Hamburg oder sonst wohin, nicht mal hierhin, ich bin einfach zurück zu dir gekommen, Stella.
    Ich biss mir auf die Lippe, ich wollte auf keinen Fall schreien. Er tat mir bewusst weh, und er wusste, dass ich dagegen ankämpfte. Er wartete, bis ich nachgab, weich wurde. Mein Bauch bohrte sich in die Kante der Fensterbank, und ich spürte schneidende Schmerzen in den Rippen.
    Die Sonne strahlte uns an, das Licht war so erbarmungslos, so wärmend, so unpassend zu meinem steifen Rücken und zu meinen zu starren Krallen gewordenen Fingern, zu seinen kalten Händen und zu dem unerträglichen Schmerz, den er mir zufügte. Ich wehrte mich nicht, die Strafe als gerecht anzunehmen. Ich wollte weinen und die verdammte Sonne anklagen, dafür, dass sie meine Niederlage so stolz anstrahlte, doch ich blieb stumm.
    – Zu dir. Weil. Ich. Dich. Liebe. Du lachst vielleicht darüber. Wenn ich dir das jetzt sage. Aber vielleicht werde ich es dir eines Tages erklären können. Jetzt kann ich es noch nicht. Nicht.
    Er hielt meinen Kopf fest, zog an meinen Haaren.
    – Weil. Weil, du würdest es nicht verstehen. Ja, das stimmt, das stimmt, ich habe hier etwas gefunden, was uns vielleicht eines Tages heilen kann, ja, ich sage bewusst heilen , Stella. Denn das alles. Das alles ist doch eine Krankheit. Die uns. Befallen. Hat. Seit … seit dem. Nachmittag, als mein Vater zurückgekehrt ist.
    Ich empfand kein Mitleid, wie er dies sagte, und mich dabei immer weiter nach vorn drückte, sein Tempo beschleunigend. Ich spürte in dem Moment nur Verachtung für ihn.
    – Ich werde dir alles erklären, alles. Und du denkst, du hast nicht genug getan. Ich habe nicht geglaubt, dass du hierherkommst, dass du mir noch eine Chance gibst und …
    – Hör auf!
    – Nein, wir können nicht aufhören. Sondern bringen es zu Ende, okay? Wir schaffen es, diesmal schaffen wir es.
    Er zuckte zusammen und sank auf mich nieder. Mit seiner Brust auf meinem Rücken. Ich ging in die Hocke, tauchte unter seinem Körper weg. Im Bad stellte ich mich in die Badewanne. Ich ließ das kühle Wasser laufen, die Kälte ließ mich wacher werden, als ich es ohnehin schon war, und ich schrubbte wild meine Haut, ich ließ das Wasser alles abwaschen, die Nacht, die Sonne.
    Er setzte sich auf den Badewannenrand, wie er das so oft getan hatte, doch ich beachtete ihn nicht und wusch mich weiterhin manisch, als würde das Wasser alles wiedergutmachen.
    – Es wird bald vorbei sein, es dauert nicht mehr lange. Wir fahren da jetzt hin, und wenn ich wiederkomme, ist alles vorbei. Das verspreche ich.
    Ich tat, als hörte ich ihn nicht.
    – Ich habe dich niemals gestraft, hörst du? Stella, sieh mich an. Ich habe dich niemals gestraft. Wenn überhaupt, dann mich.
    – Ich will nicht reden.
    – Stella?
    Er legte mir die Hand auf den Rücken, und kurz dachte ich daran, ihn wegzustoßen.
    – Ich liebe dich.
    – Das hast du mir bereits mehrfach bewiesen. Danke.
    – Stella.
    – Ivo. Ich kann dir nicht helfen, wenn du mir nicht sagst, was vor sich geht.
    – Ich kann es noch nicht.
    – Warum?
    – Weil du es selber sehen musst. Selber dahinfinden.
    – Aber das ergibt doch keinen Sinn.
    Ich beugte mich zu ihm und

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