Mein Sanfter Zwilling
ich mich hinsetzte und in den Zeitungen zu blättern anfing, die Mark aus dem Flugzeug mitgebracht hatte. Er entkorkte eine Weinflasche und setzte sich zu mir. Eine Weile blätterte auch er in den Magazinen und trank schweigend seinen Wein. Ich schenkte mir selber ein – nicht einmal ein Glas hatte er mir hingestellt, wie er es sonst immer tat.
– Meinst du nicht, dass du schon genug getrunken hast? Sogar meiner Mutter ist es aufgefallen.
– Es ist mir egal, wem was in deiner Familie auffällt, Mark. Ich habe Kopfschmerzen, und ich habe keine Lust auf einen Streit.
– Ich streite mich nicht. Ich wollte dir nur sagen, dass ich es okay finde, wenn Theo einen Hund bekommt und meine Eltern auf ihn aufpassen. Sie haben nichts dagegen und würden sich freuen.
– Nein!
– Theo wünscht sich ein Haustier und wenn meine Eltern …
– Es ist mir scheißegal, was deine Eltern wollen. Ich habe gesagt: nein, und dabei bleibt es. Ich habe es Theo bereits klar und deutlich gesagt. Wenn er alt genug ist, kann er ein Haustier haben und sich kümmern. Aber nicht jetzt. Ein Hund ist kein Spielzeug, und es ist unverantwortlich von dir.
– Unverantwortlich von mir? Von mir? Du vernachlässigst ihn, bist seit Wochen nicht vorhanden, den ganzen Geburtstag sprichst du kein Wort, sagst nicht mal hallo.
– Ich habe dir gesagt, dass ich mich nicht streiten will.
– Aber wie es aussieht, hast du dich entschieden, zu bleiben, und nach dem, was mir deine Schwester erzählt hat, ist er wieder weg. Na ja, dann müssen wir doch zusehen, wo wir anfangen, ich meine, wo wir anfangen aufzuräumen, obwohl ich mir nicht einmal sicher bin, ob ich das kann, ob ich das überhaupt will, ob ich das durchstehe.
– Du redest mit meiner Schwester über mich?
–Da brauche ich nicht mit anzufangen. Alle merken schließlich, was hier abgeht. Gestern rief mich dein Vater an und fragte, ob es jetzt wieder okay sei, wo er weg ist. Und sieh dich doch einmal an!
– Ich kann dir nichts sagen, was dich beruhigen könnte. Also werde ich mich nicht wehren und mich nicht rechtfertigen.
– Hör auf zu trinken, verdammte Scheiße. Damit könntest du wenigstens anfangen.
– Das tut nichts zur Sache. Wir haben immer zusammen Wein getrunken, und es hat dich nicht weiter gestört.
– Das war mal! Außerdem: Früher hast du nicht getrunken, um dich volllaufen zu lassen!
Ich stand auf, nahm das Glas, kippte es in die Spüle und ging ins Schlafzimmer. Meine Schläfen schienen zu platzen. Ich fiel aufs Bett und zog meine Beine an den Körper, alles tat weh bis in meine Schläfen hinein. Ich versteckte mein Gesicht in den Kissen und wollte aufschluchzen, als Mark meine Schultern ergriff, mich zu sich drehte und sich auf mich stürzte. Ich versuchte ihn aufzuhalten, ihn zu beruhigen, indem ich auf ihn einredete, mich entschuldigte, aber er hörte mir nicht zu. Ich wusste, dass meine Abwehr ihn noch mehr reizen würde in seinem Wunsch, mir wehzutun, seinen offiziellen Anspruch als Ehemann geltend zu machen, dass es alles nur noch verschlimmern konnte, daher wollte ich ihn ruhig, sanft umstimmen, ihn zur Besinnung bringen, ich erwähnte sogar Theos Namen, machte ihn darauf aufmerksam, dass die Tür nicht ganz geschlossen war, dass Theo uns hören konnte, aber auch das bewirkte nichts.
Er hatte sich ausgezogen, seine Hose geöffnet, in seinen Augen funkelten Tränen. Immer wieder sagte er, dass ich zu ihm gehöre, dass ich die Mutter seines Sohnes sei und dass ich kein Recht habe zu tun, was ich getan hatte, währenddessen versuchte er mich auszuziehen, aber seine Wut oder vielleicht auch seine Angst, was er gleich tun könnte, hielt ihn davon ab. Vielleicht war es aber einfach nur mein Blick, der leer blieb, der keinerlei Reaktion zeigte.
Von seinem Flehen und Bitten ging er auf Schimpftiraden über. Er nannte mich eine Nutte und eine miserable Mutter, eine Lügnerin, eine würdelose Frau. Danach umklammerte er mich und begann mein Gesicht abzuküssen, versteckte sein Gesicht an meinem Hals und begann zu schluchzen, um kurze Zeit später wieder aufzuspringen, seine Decke zu nehmen und ins Arbeitszimmer zu rennen, wo er dann auch übernachtete. Er zog seine Decke hinter sich her wie ein abgedankter König seine Schleppe.
Tulja saß in der Küche und sah nachdenklich aus dem Fenster. Ivo war nirgends zu sehen. Ich war in die Küche gekommen, um ein Glas Wasser zu holen. Hatte gedacht, dass Tulja schon längst schlief. Sie sah auf und sagte, ich sollte mich
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