Mein Schutzengel ist ein Anfaenger
jemand mit demgleichen Schicksal, und vor allem weiß jeder, außer mir selbst, was man dagegen unternehmen muss. Jedenfalls hat Karl dieses Gepfeife so weit gezähmt, dass ich damit leben kann. Statt zu deiner Hypnotiseurin im Hobbykeller solltest du wirklich einmal zu ihm gehen. Der Kerl spielt in einer anderen Liga. Nicht ganz billig, eigentlich sogar richtig teuer, aber das solltest du dir wert sein.«
Was manuelle Therapie genau bedeutet, konnte weder Monika ihm erklären, noch erschließt es sich aus Karls Homepage, die Max daheim sofort konsultiert. Irgendwas mit den Händen halt. Aber der Rest klingt in der Tat vernünftig.
Wie viel Wert er doch darauf legt, dass etwas » vernünftig« ist. Das ist ihm bislang gar nicht bewusst gewesen. Den Handaufleger könnte er ja wenigstens einmal ausprobieren, sagt sich Max selbst, als ginge es um den neuen Italiener an der Ecke. Auf einen Heiler mehr oder weniger kommt es nun auch nicht mehr an.
Eine diskrete Männerstimme stellt sich am Telefon als Karls Assistent vor und erklärt die Modalitäten. Beim Honorar stockt Max kurz. Der Assistent kennt das schon. Natürlich könne er es sich noch einmal überlegen. Erst zur Sitzung müsse der Vertrag unterschrieben sein, in dem wären alle Leistungen detailliert aufgelistet. – Was für ein durchsichtiger Versuch, Seriosität vorzugaukeln, denkt Max am anderen Ende der Leitung. Und lässt sich gleichzeitig davon einlullen.
Eine Woche später steht er vor der Tür, den unterschriebenen Vertrag – etwas übereifrig formuliert, aber auch irgendwie beeindruckend in seiner Unverständlichkeit – im Rucksack. Der schmächtige Assistent bringt ihn in den Wartebereich, holt einen Kaffee und fächert die Tageszeitungen vor ihm auf. Max genießt den dezenten Luxus der Praxis, das ist wirklich etwas anderes als Margots Keller. Er ist gern bereit, sich davon blenden zu lassen. Das absurd hohe Honorar kommt ihm jetzt völlig angemessen vor. Die katholische Kirche wusste schon, wie lindernd es ist, sich von seinen Sünden freikaufen zu können …
Auf einmal biegt Karl um die Ecke, eine Bugwelle gute Laune vor sich herschiebend, braun gebrannt, im Gesicht ein toskanisch entspanntes Lächeln. Er lässt Max den Vortritt in das Behandlungszimmer. Auch dieses ist geschmackvoll eingerichtet, endlich einmal ohne kümmerliche Büropflanzen und die bei Ärzten anscheinend von der Kasse verordneten Neonröhren.
In der Mitte des Raums steht eine elektrisch verstellbare Liege. Kaum hat Max sich darauf ausgestreckt, geht es auch schon los. Während Karl ihm die Hände auf alle möglichen Körperstellen legt, dabei von Zeit zu Zeit theatralisch ausatmend, erzählt er Max zunächst den eigenen Werdegang. Dieser hat ihn von der Physiotherapieausbildung zu einem ergänzenden Studium nach Amerika und nach Dutzenden Weiterbildungen wieder zurückgeführt. Max hört zunächst aufmerksam zu und dämmert dann weg. Es fühlt sich angenehm an, wie er da berührt wird.
Unvermittelt fragt Karl: » Was würden Sie sich jetzt wünschen?«
Nicht schon wieder einer, der hören möchte, dass er am liebsten erfolgreicher Marathonläufer oder der glücklichste Mensch auf Erden wäre. Also druckst er herum: » Ein bisschen Entspannung, ja, das wäre irgendwie gar nicht schlecht.«
» Ein – bisschen – Entspannung«, wiederholt Karl. » Das ist alles? Sie mögen Ihren Körper wohl gar nicht, oder?«
Max ist perplex. Mit dieser Wendung des Gesprächs hat er nicht gerechnet.
» Wer diesen Körper liebt, möchte sich nur noch mehr wehtun.« Über seine harsche Antwort ist er selbst erschrocken und versucht sofort, sie zu relativieren: » Eigentlich habe ich mir darüber noch nie den Kopf zerbrochen. Mein Körper ist einfach da und macht Probleme. – Jedenfalls hat er mir nicht viel Freude gemacht. Eigentlich gar keine. Ich kann mich jedenfalls in den letzten Jahren an kein einziges positives Erlebnis mit ihm erinnern.«
Ob er seinen Körper verabscheuen würde, bohrt Karl nach. Wieder erntet er nur Gestotter.
» Sie brauchen sich nicht zu verteidigen. Ich will Ihnen nur widerspiegeln, wie Sie selbst über diesen Körper sprechen.«
Nach kurzem Nachdenken gibt Max ihm recht, geradezu erleichtert, es einmal laut sagen zu dürfen: » Es stimmt schon. Eigentlich könnte ich hervorragend auf diesen Körper verzichten, der mir all das antut. Schließlich hat er angefangen.« Noch während er spricht, ahnt er, wie trotzig sich das anhören muss. Ohne dass ihn
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