Mein schwacher Wille geschehe
nichts anhaben können. Allerdings zielt Coolness keineswegs auf einen statischen Zustand, etwas, in das man sich dauerhaft einzurichten erhofft. Coolness ist nicht auf materialistische Werte ausgerichtet, sondern vom Augenblick beherrscht. Man sehnt sich nach Abkühlung. Wer nicht heiß gewesen ist, kann nicht cool werden.
Coolness und Lässigkeit gehören zum ABC der reduzierten Gefühle und kennzeichnen nicht zuletzt einen allgemeinen Umgang mit emotionaler Verletzlichkeit. Man vergewissert sich seiner Schwächen und experimentiert mit den Möglichkeiten einer Umwandlung in Stärke. In dem Filmklassiker
Der eiskalte Engel
von Jean-Pierre Melville spielt Alain Delon den Killer Costello, der unbewegt und apathisch, also cool, seine Auftragsmorde ausführt. Für Melville war Delons Coolness, mit der dieser zu einer Stilikone moderner Ausdrucksformen wurde, jedoch nicht weniger |155| als das Bild einer schizoiden Persönlichkeitsstörung. Der ausdruckslose, gefühlskalte Costello bringt sich am Ende in eine Situation, in der er, lebensmüde, sich von der Polizei erschießen lässt. Delons Coolness markierte trotz ihrer enormen ästhetischen Attraktivität einen radikalen, ausweglosen Endpunkt einer Gefühlslage der Indifferenz. Man ist mit Jean-Luc Godards Klassiker der Nouvelle Vague »außer Atem« und hat wenig Aussicht, ruhig Blut zu bewahren.
Dass diese Art von Coolness keineswegs nur flüchtige Mode ist, hat vor einigen Jahren der Literaturwissenschaftler Helmut Lethen in seinem Klassiker über die
Verhaltenslehren der Kälte
gezeigt. 32 Darin beschreibt er, wie nach dem Ersten Weltkrieg Schriftsteller wie Gottfried Benn, Bertold Brecht, Ernst Jünger und andere das Aushaltenkönnen im Eis einer modernen Welt ohne wärmenden Gott pathetisch glorifizierten. Das Pathos der Kälte im 19. Jahrhundert ist, so Lethen, eine Reaktion auf mehrere zusammentreffende Unheilserzählungen. Die Erfahrung einer transzendentalen Obdachlosigkeit trifft auf die Eiseskälte der Rationalität und die Dynamisierung ökonomischer Prozesse. Das Ausharren in der Kälte ist Lethen zufolge eine intellektuelle Abwehrstrategie, zu der selbst so zweckmäßig erscheinende Dinge wie der geradlinige und kühle Rohrstuhl im Bauhaus-Design gerechnet werden können. Die Form, die der Funktion folgt, war zu keinem Moment frei von den Zeichen ihrer Zeit.
Im Unterschied zur Coolness ist Lässigkeit weniger entschieden. Sie tritt vielmehr als mittlere Haltung zwischen Anspannung und Schwäche in Erscheinung, die nach Wegen sucht und danach trachtet, sich Rückwege offen zu halten. Während der Lässige nicht an eine Niederlage glaubt, ist der Coole zur Selbstaufgabe bereit. In ihrem pathologischen Kern ist Coolness Selbstzerstörung. In Bezug auf den Umgang mit schwachem Willen ist das Phänomen der Lässigkeit wegen seiner Kippstellung von besonderer Bedeutung. Mit der Lässigkeit werden Schwächen an- |156| und ausgespielt. Als ästhetisches Phänomen ist sie mehr Gestaltungsmerkmal denn Makel, auffällige Marotte oder schlechte Angewohnheit.
Die ausführliche Behandlung der Lässigkeit und ihre Abgrenzung von der Coolness ist in Bezug auf die Willensschwäche denn auch keine Abschweifung oder narzisstische Stilübung. Lässigkeit nimmt eine ambivalente Stellung zwischen dem Tun und Lassen ein, die individuelles und gesellschaftliches Handeln bestimmt. Sie hat ein Ziel vor Augen, agiert aber aus einem »noch nicht« heraus. Sie geht aufs Ganze, kommt aber in der Pose juvenilen Unernstes daher. Die vielfältigen Formen ihres herausfordernden Charakters machen die Lässigkeit zu einer gesellschaftlichen Ressource, die bislang kaum zur Kenntnis genommen worden ist. Das mag damit zu tun haben, dass die Gefahr der Überheblichkeit immer mitschwingt. Im Nachhinein scheint die lässige Herangehensweise, ein mutiges Probehandeln, aber meist so einleuchtend, dass es verwundert, warum man nicht schon früher darauf gekommen ist (siehe auch das Beispiel über experimentelles Unternehmertum im Kapitel
Über die Verhältnisse
). Lässigkeit ist so gesehen eine notwendige Voraussetzung für eine Politik der zweiten Chance sowie der Begabung, immer wieder neu anzufangen.
Das philosophische Feld einer solchen Lässigkeit hat indes der Frankfurter Philosoph Martin Seel in einer »kleinen Phänomenologie des Lassens« erschlossen. 33 Ausgehend von Nietzsches bemerkenswertem Satz aus der
Fröhlichen Wissenschaft:
»Indem wir thun, lassen wir«, unternimmt Seel
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