Mein schwacher Wille geschehe
schlaff bedeutet. Die heute in der Wortbedeutung anklingende Verstellungsleistung, eine Art Pose, mit der man über seinen eigentlichen Zustand alerter Anspannung hinwegtäuscht, ist eine vergleichsweise junge Bedeutung.
|148| Lässigkeit ist nicht zuletzt eine ästhetische Kategorie. Wenn im Fußball von Spielkunst, technischer Brillanz und spielerischer Eleganz die Rede ist, wird immer auch Lässigkeit mitgedacht. Die sportliche Anstrengung vollzieht sich beinahe schwebend. Der Lässige steht im Verdacht, nach dem Applaus der anderen zu schielen. Die bloße Orientierung auf den Zweck und zählbaren Erfolg ist seine Sache nicht. Er ist immer auf einen Mehrwert aus, und er scheint sogar bereit zu sein, das Erreichte dafür aufs Spiel zu setzen. Lässiges Handeln findet stets vor Publikum statt und ist begleitet von einer erwarteten positiven Bewertung des Tuns. Beim Fußball spielt der Lässige für die Galerie. Er weiß, dass er beobachtet wird und richtet seine Bewegungen danach aus. Könnte dieser oder jener nicht noch besser sein, wenn er sich die Lust auf die Vorführung seiner artistischen Leichtigkeit verkneifen würde? Bringt er das Ziel mit seinem ausgeprägten Präsentationssinn nicht gar in Gefahr? Der Ball ist rund und ein Spiel dauert neunzig Minuten. Danach zählt man aber eben nicht nur die Tore. Im kollektiven Gedächtnis werden immer auch Haltungsnoten verbucht.
Franz Beckenbauer war eine Ikone der Lässigkeit. Er spielte derart elegant, dass man meinte, an ihm eine gewisse Sportfremdheit ausmachen zu können. Von der Art, sich zu bewegen, war er alles andere als ein typischer Fußballer. Auf dem Platz wirkte er wie einer, der sich das Trikot nicht schmutzig macht. Der Eindruck seiner Lässigkeit wurde paradoxerweise in jenem legendären WM-Viertelfinale von 1970 in Mexiko im Spiel gegen England gesteigert, als er nach einer Verletzung mit eng am Körper bandagiertem Arm weiterspielen musste. Noch mehr als sonst wurde man dabei auf seine besondere Fähigkeit zur Körperkontrolle aufmerksam. Obwohl er Schmerzen zu haben schien, sah er noch immer elegant und stilbewusst aus. Beckenbauer spielte weiter wie eine Spielfigur, die auf Schienen bewegt wird. Die heldenhaften Attribute wie Mut, kämpferischer Einsatz und |149| das Aushalten von Schmerz wurden durch seine grazile Haltung auf dem Platz einmal mehr ästhetisiert. Den Beinamen Kaiser erhielt er wegen seiner Ausstrahlung von Unberührbarkeit. Beckenbauer war ein Gesalbter des Fußballs. Tatsächlich war er in seinen besten Jahren ein bemerkenswert vielseitiger Athlet. In einzelnen Disziplinen der Leichtathletik erzielte er ausgezeichnete Werte. Dennoch wirkte er nie wie einer, der sich etwas hart erarbeiten musste. Das brachte ihm Kritik, manchmal sogar Ablehnung ein. Anhaltende Anerkennung erwarb er jedoch nicht zuletzt dadurch, dass er sich zu einem unverwechselbaren Sportler entwickelte, der schon an der Silhouette seiner Bewegungen zu erkennen war.
Das zu erreichen, ist kein leichtes Programm. Bloße Nachahmung wäre äußerst riskant. Das Sportsystem geht mit Epigonen wenig zimperlich um. Matthias Hergeth, der als Spieler des VFL Bochum und für Bayer Uerdingen jahrelang als Beckenbauer-Nachfolger gehandelt worden war, bekam das in aller Deutlichkeit zu spüren. Wegen seiner an Beckenbauer erinnernden Spielweise bekam er den Beinamen »Bruder Leichtfuß«. Er hatte am Ende nicht das Durchsetzungsvermögen des großen Idols. Dabei spielt es keine Rolle, ob er die Nachahmung selbst betrieben oder gar forciert hatte. Echte oder bloß betonte Lässigkeit kann sich langfristig nur der leisten, der auch tatsächlich und anhaltend Erfolg und Aufmerksamkeit daraus abzuleiten vermag.
Dass insbesondere der Sport vielfältige Formen der Lässigkeit ausgebildet hat, hängt mit den fließenden Übergängen von Bewegung und Ästhetik zusammen. Man muss nichts von Sport verstehen, um die Ausübung der einen oder anderen Sportart schön zu finden. Das hat letztlich auch im Sport verschiedene Spielarten der Lässigkeit hervorgebracht. David Beckham spielte in seinen besten Jahren ebenfalls lässig, war aber nachhaltig durch englische Tugenden geprägt, denen man alles andere zuschreibt als die Hervorbringung lässiger Charaktere. Beckham |150| erwarb sich die Attribute eines Präzisionsfußballers mit ausgefeilter Schusstechnik, er ist so gesehen eine Handwerkernatur. Weil er sich ebenso souverän wie auf dem Platz in der Welt der Mode und des Pop zu
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