Mein Schwein pfeift
Nichts Besonderes, mochte man denken. Allerdings stand Supermarktleiter Heiko Wimmer direkt hinter ihr und stopfte einen grün gepunkteten BH in ihre Einkaufstasche. Mit einem fetten Grinsen verschwand er aus dem Bild.
Was war denn das?
Wenige Minuten später sollte ich es erfahren, denn da kam Wimmer in mein Büro gestürmt. Er war ein feister Mann Mitte vierzig, der den Verkauf von Lebensmitteln nicht als Job, sondern als Mission sah. In seiner Freizeit schrieb er Gedichte über Gemüse, Geflügel und Tiefkühlkost, die er in lokalen Anzeigenblättern veröffentlichte. Seine Kopfform hatte was von einem Dreieck: schmale Stirn, breiter Mund. Dabei glänzte seine Haut immer speckig, was auf übermäßigen Genuss von Produkten der Fleischtheke zurückzuführen war. Ließ man den Blick vom Gesicht abwärts schweifen, folgten eine schmale Brust und ein kugelförmiger Bauch, der bei Verzehr einer weiteren Salami seinen LUM-Kittel sprengen konnte.
»Sind Sie eigentlich blind, Nannen?«, prustete er nach Luft ringend los.
»Pardon?«
»Hier wird geklaut, was die Raben übriglassen, und der Herr Ladendetektiv trinkt Kaffee. Noch dazu aus der Tasse dieses Loservereins«, fauchte er. »Wo spielen die jetzt, dritte Liga?«
»Regionalliga«, gestand ich zähneknirschend.
»Ist auch egal. LUM-Mitarbeiter sind Schalker, denn Schalke ist eine Religion. Blau und weiß, wie lieb ich dich, blau und weiß, verlass mich nicht, blau und weiß ist ja der Himmel nur, blau und weiß ist unsere Fußballgarnitur «, grölte er so laut, wie falsch. »Aber genug der Lebenshilfe. Wann gedenken Sie eigentlich, Ihre Arbeit zu tun? Unsere fürstlichen Gehälter sind nicht fürs Kaffee-Schlürfen.«
»Mir entgeht hier nichts, Herr Wimmer. Wenn jemand die Finger lang macht, bin ich zur Stelle. Aber zu starke Präsenz im Verkaufsraum halte ich für kontraproduktiv.«
»Papperlapapp«, winkte er ab. »Hören Sie jetzt genau zu, Nannen. Schon seit geraumer Zeit habe ich eine unserer Kassiererinnen im Verdacht, die Firma zu bescheißen. Und was soll ich sagen: Gerade habe ich beobachtet, wie sie ein Wäschestück in ihre Tasche gesteckt hat. Hat mir nicht den Anschein gemacht, als wollte sie dafür bezahlen. Gehen Sie sofort raus, und durchsuchen Sie die Dame. Heike Brand, die müssten Sie ja kennen«, deutete er auf den Monitor, wo die vermeintliche Diebin Richtung Ausgang schlurfte.
»Meinen Sie den BH, den Sie ihr untergejubelt haben?«, ließ ich Fjodr unauffällig unter meinem Schreibtisch verschwinden.
»Die Frau will einen Betriebsrat installieren«, zeigte Wimmer nicht den Hauch von Verlegenheit. »Ich habe strikte Anweisung, sie aus unserer Firma zu entfernen. Ohne LUM würden die Leute von der Stütze leben, aber von Dankbarkeit keine Spur. Die Frau muss weg, die stört den Arbeitsfrieden. Also, Meister, wenn wir die Alte entlassen können, gibt’s einen Bonus. Wenn nicht, finden Sie sich auf der Straße wieder. Hab ich mich klar ausgedrückt?«
»Lassen Sie mich draußen eine rauchen und darüber nachdenken, okay?«, entgegnete ich frostig.
»Dafür ist ja wohl keine Zeit«, schrie Heiko und stürzte aus meinem Kabuff in den Verkaufsraum. Auf meinem Monitor sah ich, wie er die arme Lady kurz vor der Kasse schnappte und triumphierend das angebliche Corpus delicti ans Tageslicht beförderte. Grinsend blickte er in die Kamera und fuhr sich mit der flachen Hand quer über die Kehle. Abserviert.
Ich wechselte das Überwachungsvideo, schnappte mir die Zigarettenschachtel und spazierte an den beiden vorbei nach draußen. In der Pommesbude auf der gegenüberliegenden Straßenseite arbeitete eine gute Bekannte, der ich das Tape in die Hand drückte. Dann schnell ein wenig Lungenmassage betrieben und wieder zurück in den sympathischen Discounter-Schuppen.
Von Heiko und Frau Brand war nichts zu sehen, also zurück in meine Box. Den Rest der Schicht widmete ich als zuverlässiger Arbeitnehmer meinem Buch. Punkt sieben packte ich Dosto und Kaffeetasse in meine Aktentasche und bewegte mich in Vorfreude auf den Feierabend auf die Tür zu. Doch bevor ich die Hand auf die Klinke legen konnte, wurde sie von außen aufgerissen. Wimmer.
»Folgen Sie mir in mein Büro«, befahl er und marschierte voran. Das verhieß nichts Gutes.
Und tatsächlich: Drei Herren in dunklen Anzügen saßen aufgereiht an einem Besprechungstisch, auf der anderen Seite ein leerer Stuhl.
»Setzen Sie sich, Herr Nannen. Mein Name ist Kopp, ich bin Mitglied der
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