Mein Schwein pfeift
Differenz achtbar aus der Affäre gezogen hatten. Schlemmbach verkündete stolz, dass er 25 000 Euronen an die krebskranken Kinder überweisen könnte, was heute Abend im Dülmener Nobelrestaurant »Jägerhof« gebührend begossen werden sollte; die Zeche wollte Schlemmbach übernehmen. Hörte sich gut an.
Ich duschte, zog mich um und verabschiedete mich.
Küppers erwartete mich bereits am Stadiontor. Er trug einen dunklen Zweireiher mit Vereinsemblem, was angesichts der heutigen Temperaturen sicher nicht die bestgeeignete Kleidung war. Auf seinem Hemdkragen prangte ein »Sauber mit Schlemmbach-Seife«-Sticker. Die Baseballkappe mit Werbung für die Bürgermeisterpartei rundete das Bild harmonisch ab. Neben ihm fummelte eine hochgewachsene Brünette gelangweilt an ihrer Perlenkette herum. Mit dem schwarzen Galakleid schien sie mir für den heutigen Abend etwas overdressed zu sein, aber vielleicht musste sie anschließend noch auf den Wiener Opernball.
»Darf ich dir meine bessere Hälfte Mona vorstellen? Das ist Dieter, ein Kollege aus dem Ruhrgebiet, gegen den ich früher mal gekickt habe«, machte er uns bekannt. Mona, Mona, Mona, irgendwas klingelte da in meinem Hirnkasten.
»Kann es sein, dass du ebenfalls aus Essen stammst?«, begannen sich die grauen Zellen zu regen.
Mona intensivierte die Perlenfummelei und unterzog mich einer eingehenden Musterung: »Dieter Nannen? Das gibt’s ja nicht. Wie lange ist das her? Zwölf Jahre? Du hast dich ganz schön verändert, und nicht zum Nachteil«, lächelte sie. Dennoch war eine gewisse Ablehnung in ihrer Mimik nicht zu übersehen.
»Ihr kennt euch?«, war Angelo durchaus erstaunt.
»Bevor ich nach Duisburg gezogen bin, haben wir in derselben Straße in Karnap gewohnt. Wir waren sogar mal zusammen, bis Dieter eine Bessere gefunden hat«, erzählte sie mit schnippischem Unterton.
Da hatte sie recht, fiel mir ein. Damals war sie ein liebes, aber farbloses Mäuschen gewesen. Als dann die feurige Russin Tatjana in unser Mietshaus zog, war Mona schnell Geschichte.
»Ein großer Fehler, wie ich sehe«, zauberte ich Bedauern in meine Stimme.
Sie grinste herablassend. »Was du nicht sagst. Du hattest deine Chance. Jetzt bin ich mit einem großartigen Mann verheiratet«, legte sie zur Untermauerung ihren Arm um Angelo.
»Wie klein die Welt ist«, murmelte er ein wenig verlegen.
»Genug mit der Vergangenheitsbewältigung. Schieß los. Wo drückt der Latschen?«
»Lass uns ein Stück mit dem Auto fahren, hier haben die Wände Ohren.« Die nächste Wand lag zwar hundert Meter entfernt, aber mir sollte es egal sein. Hauptsache, ich kam rechtzeitig zur Feier.
Auf dem Weg zum Parkplatz plauderte ich mit Angelo über die alten Zeiten, die in der Erinnerung viel farbiger und aufregender schienen, als sie wahrscheinlich gewesen waren. Mona bekundete ihr Interesse an unseren Gesprächsthemen mit herzhaftem Gähnen.
Plötzlich fiel ein Schuss, und Küppers schlug neben mir auf den Boden. Sofort drehte ich mich um, konnte aber nur verängstigt dreinschauende Leute entdecken. Vom Täter keine Spur. Mona starrte wie paralysiert auf ihren Mann. Da mein letzter Erste-Hilfe-Kurs Jahrzehnte zurücklag, sprintete ich, so schnell ich konnte, zum Sportplatz zurück. Vor dem Stadiontor entdeckte ich einen Ordner.
»Einen Krankenwagen und einen Arzt, aber schnell. Jemand ist angeschossen worden.«
Nachdem der Ordner in aller Seelenruhe seine Bratwurst aufgekaut hatte, bequemte er sich endlich, sein Handy zu zücken. Ich hoffte, dass er nicht auf die Verdauung wartete, bevor er die Nummer eintippte, und lief zurück zu Küppers. Dabei musste ich mir den Weg durch eine Traube von Gaffern bahnen. Bei der Verletzung durfte es sich kaum um einen Streifschuss handeln, denn Angelo lag regungslos in einer nicht gerade kleinen Blutlache. Mona kniete neben ihm und redete hysterisch auf ihn ein.
»Du darfst nicht sterben, hörst du. Du darfst nicht.«
»Wenn ihr mich fragt, der ist kaputt«, krächzte eine Matrone im Schalke-Outfit und nahm einen kräftigen Schluck aus ihrer Bierdose.
»Mein Mann lebt«, brüllte Mona sie an.
»Bitte halten Sie Abstand. Gleich kommt der Krankenwagen«, versuchte ich, etwas Ordnung in das Durcheinander zu bringen.
»Was spielt sich denn der Macker hier auf?«, blökte mich die Alte nach einem geschmeidigen Rülpser an. »Bist wohl ’ne Zecke, wat?« Ihr Freund, ein nach Fusel stinkender Hooligan in Knappenkutte mit verfilzter Mähne, baute sich vor mir auf
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