Mein skandaloeser Viscount
Schrei Zuflucht hinter dem Stuhl, aus dem sie sich soeben erhoben hatte, und raffte pikiert die Röcke.
Victoria fiel auf die Knie, ohne sich darum zu scheren, dass Flint mit seinen schmutzigen Pfoten an ihrem neuen fliederfarbenen Kleid hochsprang. Sie schlang die Arme um den kleinen Terrier und ließ sich von seiner schmutzigen kalten Zunge das Gesicht lecken. „Flint, mein Süßer“, flüsterte sie zärtlich und kraulte sein nasses Fell. „Du bist gar nicht so dumm, wie alle behaupten. Du hast diesen grässlichen Gewittersturm ganz allein überstanden, nicht wahr? Ja, ja, mein tapferer kleiner Held. Du hast dich in einem sicheren Versteck verkrochen. Ich bin sehr stolz auf dich. Victor wäre auch stolz auf dich.“
Sie drückte Flint an sich, bis er ihrer stürmischen Begrüßung überdrüssig wurde, sich ihren Armen entwand und aus dem Zimmer trottete, vermutlich in die Küche, um sein Futter einzufordern.
Der Earl seufzte und suchte den Blick seiner Tochter. „Allem Anschein weiß Remington sich besser zu benehmen als ich. Ich hätte dich nicht so grob zurechtweisen dürfen. Das war unverzeihlich.“
Victoria lächelte versöhnlich. „Du musst dich nicht entschuldigen, Papa. Ich trage die Verantwortung für Flint. Nicht du.“
„Gut. Freut mich, dass wir uns wieder einig sind. Nun geh zu deinem Unterricht. Ich sehe nach dir, sobald ich die letzten Gäste verabschiedet habe. Vielleicht zu einer Partie Schach?“ Ihr Vater nickte ihr liebenswürdig zu und verließ den Raum.
Victoria wandte sich an Remington, der immer noch auf der Schwelle zur Bibliothek verweilte, richtete sich auf und zupfte ihre Röcke zurecht. „Vielen Dank.“ Er hatte eine erstaunliche Gabe, Wogen zu glätten.
Sein Lächeln zeigte die Grübchen an seinen Wangen. „Ich sagte Ihnen doch, der Ring bringt Ihnen Glück.“
Wie sollte sie diesen Mann nicht bewundern, der sich so beharrlich um ihre Zuneigung bemühte? Er hatte sie nicht nur mutig verteidigt, er war auch den ganzen Vormittag mit ihrem Vater durch die aufgeweichten schlammigen Wiesen gestapft, während Grayson, der Faulpelz, sich geweigert hatte, sich an der Suche nach Flint zu beteiligen.
Sie warf einen Blick zu Mrs Lambert hinüber, die damit beschäftigt war, die Lehrbücher für den Unterricht zurechtzulegen.
Victoria ging zu Remington, zog den Ring ab und hielt ihn in ihrer schmutzigen Handfläche hoch. „Ich glaube, die Magie liegt nicht an diesem Ring, sondern an seinem Besitzer. Ich wünsche Ihnen eine angenehme Reise und verspreche, Ihnen zu schreiben, wenn Sie mir versprechen, zu meinem Debüt wieder in London zu sein.“ Sie schmunzelte kokett. „Ich brauche schließlich einen Bewerber um meine Hand. Vielleicht sind Sie ja der einzige.“
Er wurde ernst und sah ihr tief in die Augen. Dann vergewisserte er sich, dass Mrs Lambert noch immer mit den Büchern beschäftigt war und flüsterte: „Stecken Sie ihn wieder an. Bitte. Dies ist kein Spiel mehr. Wir sehen uns bei meiner Rückkehr.“
Sie blinzelte verdutzt. War das … ein Antrag?
Er wies in den Korridor hinter sich. „In einer Stunde breche ich nach Portsmouth auf und gehe an Bord des Schiffs nach Venedig. Grayson weiß, wo ich wohne. Lassen Sie sich von ihm meine Adresse geben.“ Er sprach noch leiser, sein hübsches Gesicht übergoss sich mit Röte, als er die nächsten Worte raunte: „Bei meiner Rückkehr halte ich um Ihre Hand an, das steht außer Zweifel. Ich kann nur hoffen, dass Sie dann nicht bereits einem anderen versprochen sind, denn nach letzter Nacht …“ Wieder schaute er prüfend in Mrs Lamberts Richtung. „Ich muss mich beeilen.“ Er verneigte sich knapp, machte kehrt und verschwand.
Victoria blickte mit großen Augen auf den Ring, den sie immer noch zwischen den Fingern hielt. Er hatte tatsächlich die Absicht, um ihre Hand anzuhalten. Gütiger Himmel! Es war also keine flüchtige Schwärmerei, wie? Er hatte tatsächlich Zuneigung zu ihr gefasst. Etwas, das sie schon lange gespürt hatte, aber nicht wahrhaben wollte, in der Befürchtung, sie könne in eine Falle geraten und dazu verleitet werden, Dinge zu tun, die einer sittsamen Dame außer Kontrolle geraten könnten.
Aber hatte sie nicht bereits die Kontrolle verloren? Sie hatte ihn geküsst. Bedenkenlos. Sie hatte seinen Ring angenommen und dem Rubin ihren Wunsch zugeflüstert. Bereitwillig. Obgleich sie gegen ihre Empfindungen seit ihrer ersten Begegnung angekämpft hatte, wusste sie tief in ihrem Herzen, dass
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