Mein skandaloeser Viscount
Tränen. Ich könnte niemals ein Zerwürfnis zwischen Ihnen und Ihrem Vater zulassen. Nie und nimmer. Dieser Mann hat bereits seine Gemahlin und seinen Sohn verloren. Bringen Sie nicht noch mehr Leid über ihn durch den Verlust seiner Tochter. Ich habe vollstes Verständnis für seine Bedenken und bin strikt dagegen, dass Sie sich an einen ruinierten Mann binden. In einer Ehe mit mir haben Sie nichts zu erwarten, und das haben Sie beileibe nicht verdient. Sie verdienen einen Mann, der in der Lage ist, Sie glücklich zu machen in einer Weise, zu der ich nicht länger in der Lage bin. Meine Hand zittert zwar, während ich diese Worte schreibe, aber ich muss Sie von Ihrer Zusage an mich entbinden. Ich darf in dieser Hinsicht nicht eigensüchtig denken, auch wenn es mich verzweifelt danach drängt. Sie sind nun achtzehn geworden, und Ihre erste Ballsaison hat vermutlich bereits begonnen. Ich bitte Sie inständig darum, Ausschau nach einem geeigneten Ehemann zu halten, der Ihrer würdig ist. Wenn Sie mich lieben, Victoria, wovon ich überzeugt bin, bitte ich Sie nur darum, mein Andenken bis ans Ende meiner Tage zu wahren, indem Sie den Ring meiner Mutter an Ihrem Finger tragen. Auf diese Weise werden Sie und ich für immer im Geist verbunden sein. Ich hoffe, Sie haben Verständnis und verzeihen mir, dass ich die mir angebotene Position lange vor Graysons Ankunft angetreten habe. Meine finanzielle Lage zwang mich zu diesem Schritt. Ich hoffe, Sie werden mir weiterhin schreiben, denn Ihre Briefe sind alles, was mir von Ihnen bleibt. Ich entbinde Sie zwar von Ihren Gefühlen für mich, versichere Ihnen jedoch, dass meine Gefühle für Sie sich niemals ändern werden.
Immer der Ihre,
Remington
28. Juni 1825
Remington,
trotz einer erfolgreichen Saison, in der ich acht Heiratsanträge erhielt, habe ich alle abgelehnt. Mein Vater droht mir zwar ständig damit, mich ins Kloster zu stecken, aber ich unverbesserliche Närrin erkläre ihm hartnäckig, dass kein anderer Mann mich je so lieben wird wie Sie. Bin ich tatsächlich eine Närrin, so zu denken? Allmählich glaube ich es. Grayson hat endlich nach langem Schweigen aus Venedig geschrieben und mir berichtet, dass Sie gut allein zurechtkommen und keinen Gebrauch von der finanziellen Zuwendung meines Onkels machten. Ich bin verwirrt und kann mir keinen Reim darauf machen, welche Stellung Sie angetreten haben, die Ihnen eine so erstaunlich rasche Erholung Ihrer finanziellen Situation erlaubt hat. Hat es diese seltsame Stellung je gegeben? Waren Sie je in finanziellen Nöten? Oder waren dies alles nur Ausflüchte, um sich aus Ihrer Verpflichtung mir gegenüber loszusagen, nachdem sich Ihnen eine bessere Gelegenheit bot? Grayson verweigert mir jegliche Auskunft, aber ich befürchte, Sie haben dem hässlichen Gesicht des Verrats eine hübsche Maske vorgehalten. Sollte diese ominöse Position, von der Sie sprachen, der Grund gewesen sein, Ihre noblen Absichten über Bord zu werfen und eine andere zu heiraten, wünsche ich mir, dass Sie mich davon in Kenntnis zu setzen. Falls es keine andere gibt, und Sie lediglich über Ihre Verhältnisse gelebt haben, verzichten Sie auf unnötigen Luxus und heiraten mich. Ich liebe Sie, Remington, und bitte Sie, mir Ihre Liebe durch Ihre Aufrichtigkeit und Treue zu beweisen. Ihnen meine Liebe in schriftlicher Form zu gestehen und mein Angebot zu wiederholen, meinen Vater zu verlassen, um an Ihrer Seite in Venedig zu sein, ist ein großes Opfer, das ich Ihnen bereitwillig bringe. Zu welchem Opfer sind Sie bereit?
Victoria
1. August 1825
Victoria,
Ihre Worte der Liebe haben mich überwältigt und mich mit neuer Hoffnung erfüllt, die ich viele Monate nicht empfunden hatte. So erbärmlich es auch sein mag, bin ich verpflichtet, fünf weitere Jahre in Venedig zu bleiben. Weder Sie noch Grayson können je die Probleme von Armut und dürftiger Lebensumstände nachvollziehen. Weder Sie noch Grayson können begreifen, dass diese Not auch den besten Menschen dazu zwingt, seine Werte und Moralbegriffe zu verraten, nur um das Wohlergehen seiner Familie zu sichern. Sie müssen mir glauben, wenn ich Ihnen bei meinem Leben schwöre, dass ich Sie niemals betrügen und eine andere Frau lieben oder heiraten könnte. Mein Herz und meine Seele gehören Ihnen bis ans Ende meiner Tage. Wohin das Leben mich auch führen mag, ich werde nie vergessen, was uns verband, und ich schwöre bei meiner Ehre, niemals eine andere zu heiraten, was immer auch kommen mag.
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