Mein Sommer nebenan (German Edition)
ich ihn mag. Und dass er mich mag. Wir verbringen gern Zeit zusammen.«
»Um was zu tun?« Mom hebt den Limonadenkrug an und wischt den Kreis aus Kondenswasser weg.
»Die Frage hast du Tracy in Bezug auf Flip noch nie gestellt.«
Ich dachte immer, der Grund dafür sei, dass sie es gar nicht so genau wissen wollte, aber da habe ich wohl falsch gedacht. »Flip kommt ja auch aus einer guten Familie und hat verantwortungsbewusste Eltern«, entgegnet sie in einem Ton, als wäre damit alles erklärt.
»Genau wie Jase.«
Mom seufzt, geht zum Fenster und zeigt auf den Garten der Garretts. »Da. Schau dir das an.«
Duff fuchtelt gerade wütend mit einem Spielzeug-Laserschwert vor Harrys Nase herum, der daraufhin einen Plastikeimer vom Boden aufhebt und nach seinem größeren Bruder wirft. George hat mal wieder kein Höschen an, hockt auf der Verandatreppe und leckt an einem Wassereis. Mrs Garrett sitzt neben ihm und liest ihm aus einem Buch vor, während sie Patsy stillt.
Jase schraubt unter der geöffneten Motorhaube seines Mustangs herum.
»Und?«, sage ich. »Er hat eine große Familie. Was stört dich daran so? Im Grunde kann es dir doch egal sein.«
Mom schüttelt, wie immer, wenn sie die Garretts beobachtet, missbilligend den Kopf.
»Dein Vater kam aus einer Familie, die ganz genauso war. Wusstest du das?«
Ich denke an die Fotos von all den unbekannten Menschen, die Tracy und ich vor so langer Zeit in dem Karton gefunden haben. Waren das alles Angehörige? Ich bin hin- und hergerissen zwischen dem Bedürfnis, die seltene Gelegenheit zu nutzen, etwas über Dad zu erfahren, und dem, mich auf das zu konzentrieren, was gerade Thema ist.
»Ganz genau so«, wiederholt Mom. »Groß und chaotisch und ohne jegliches Verantwortungsbewusstsein. Und als was für ein Mensch sich dein Vater entpuppt hat, muss ich dir ja wohl nicht sagen.«
Ich würde gern entgegnen, dass ich keine Ahnung habe, als was für ein Mensch sich mein Vater entpuppt hat. Andererseits … er hat uns verlassen. Das lässt wohl doch Rückschlüsse auf seinen Charakter zu.
»Das eine ist Dads Familie. Das andere die von Jase.«
»Es kommt aufs Gleiche heraus«, sagt sie. »Hier geht es um Verantwortungsbewusstsein.«
Ach ja? Wieso habe ich dann das Gefühl, dass es um etwas ganz anderes geht? »Worauf willst du hinaus, Mom?«
Ihr Gesicht ist unbewegt, lediglich ihre Lider zucken, wie ich es schon öfter während anstrengender politischer Debatten bei ihr beobachtet habe. Ich spüre, wie sie darum ringt, nicht die Beherrschung zu verlieren und die richtigen Worte zu finden. »Im Gegensatz zu deiner Schwester ist es immer eine deiner Stärken gewesen, kluge und vernünftige Entscheidungen zu treffen, Samantha. Sogar als du noch klein warst, hast du immer gewusst, was gut für dich ist. Auch in Bezug auf deine Freunde. Man muss sich nur Nan anschauen. Tracy dagegen war mit dieser grauenhaften Emma befreundet, die einen Nasenring trug, und mit Darby. Erinnerst du dich noch an Darby? Die schon mit dreizehn einen Freund hatte? Deswegen hatte Tracy in der Middle School auch ständig Probleme. Die falschen Leute können dich dazu verleiten, die falschen Entscheidungen zu treffen.«
»Hat Dad …«, setze ich an, aber sie unterbricht mich.
»Ich will, dass du dich in Zukunft nicht mehr mit diesem Garrett-Jungen triffst.«
Wie damals, als sie wollte, dass ich aus dem Schwimmteam austrete. Oder wie sie kommentarlos immer wieder Klamotten aus meinem Schrank verschwinden lässt, die ich mir gekauft habe und die ihr aus irgendwelchen Gründen nicht gefallen. Jase werde ich mir nicht wegnehmen lassen, nur weil er ihr nicht in den Kram passt.
»So funktioniert das nicht, Mom. Es gibt keinen Grund, mich nicht mehr mit ihm zu treffen. Wir haben nichts Verbotenes gemacht. Ich bin mit ihm Motorrad gefahren. Wir sind befreundet. Ich bin siebzehn.«
Sie massiert sich die Schläfen, als hätte sie Kopfschmerzen. »Ich habe einfach kein gutes Gefühl bei diesem Jungen, Samantha.«
»Und was, wenn ich bei Clay Tucker kein gutes Gefühl habe? Habe ich nämlich nicht. Hörst du dann auf, dich mit ihm zu treffen und seine …«, ich zeichne Anführungszeichen in die Luft, obwohl ich diese Geste sonst nicht ausstehen kann, »… Ratschläge für deinen Wahlkampf anzunehmen?«
»Das ist etwas völlig anderes«, gibt Mom frostig zurück. »Wir sind beide erwachsen und alt genug die Konsequenzen für das, was wir tun, selbst zu tragen. Du bist noch minderjährig und
Weitere Kostenlose Bücher