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Mein Tag ist deine Nacht

Mein Tag ist deine Nacht

Titel: Mein Tag ist deine Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Rose
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einen weiteren Schauer, und ich blickte fragend zu ihm hoch.
    Er grinste mich mit seinen Brad-Pitt-Augen an. »Ich nehme an, du brauchst einen Chauffeur? Da dein Auto vermutlich irgendwo auf einem Parkplatz in der Nähe der Downs steht?«
    Bemüht, mir meine Aufgeregtheit nicht anmerken zu lassen, nickte ich. »Das wäre sehr nett von dir.«
    »Schließlich wäre es ja auch nicht das erste Mal, dass du mit meinem Auto befördert wirst«, scherzte er. »Nur, dass du das letzte Mal bewusstlos warst und meine ganze Rückbank durchnässt hast.«
    Der Krankenpfleger erschien mit einem Bündel Kleidungsstücke und fragte, ob ich wolle, dass Dan sich beim Ankleiden innerhalb oder außerhalb des Vorhangs befände. Innerlich freute ich mich angesichts seiner Annahme, Dan sei mein Freund.
    Der Pfleger holte aus der Tasche seines kurzen Kittels eine Schere hervor und schnitt mein Plastiknamensschild ab. »Der Verband kann in ein paar Tagen runter«, sagte er. »Sollte es Probleme geben, gehen Sie zu Ihrem Hausarzt, aber Ihre Verbrennungen sind geringfügig. Zum Glück hatten Sie so einen dicken Mantel an.« Er richtete sich auf. »So. Das war’s. Das nächste Mal bleiben Sie bei einem Gewitter aber besser daheim!«
    Ich stand auf, zog das Nachthemd aus und legte es aufs Bett. Es kam mir seltsam vor, wieder aufrecht zu stehen. Ich war noch immer etwas wacklig auf den Beinen. Ich sank wieder aufs Bett, mühte mich, in meine Unterwäsche zu kommen und passte dabei auf, dass mein BH -Träger an der Schulter möglichst weit fort von der empfindlichen Stelle auflag. Dann schlüpfte ich in die Jeans und zog den Reißverschluss zu. Jemand musste sie über Nacht für mich zum Trocknen aufgehängt haben, denn obwohl sie dreckverkrustet war, war sie knochentrocken. Was der Pfleger damit gemeint hatte, wie viel Glück ich gehabt hätte, fast unversehrt davongekommen zu sein, wurde mir klar, als ich den Pulli auffaltete. An der linken Schulter befand sich ein geschwärzter Brandfleck ungefähr von der Größe einer Orange.
    Vorsichtig zog ich den altmodischen Schaffellmantel auseinander. Meine Mutter hatte ihn vor Jahren einer Kleidersammlung spenden wollen und ihn dann auf meinen Ausruf hin, wie nützlich er doch für Spaziergänge mit Frankie bei Wind und Wetter sei, mir gegeben. Als ich nun den Bereich um die Schultern ansah, wo mich der Blitz getroffen hatte, stellten sich mir die Haare zu Berge. Er war völlig verschmort und erinnerte an geschmolzenes Plastik.
    Schaudernd ging mir auf, wie knapp davor ich gestanden hatte, genauso schlimm verletzt zu werden wie die Lauren aus meinem Traum. War dieser uralte Mantel möglicherweise alles, was mich vor dem Tod bewahrt hatte? Ich fuhr mit dem Finger die verbrannte Stelle nach, und mein Mund wurde trocken. Gar nicht vorzustellen, was passiert wäre, hätte der dicke natürliche Stoff die heftigen Verbrennungen nicht abgefangen.
    Im Geiste hörte ich plötzlich eine Stimme mit indischem Akzent: »In manchen Fällen kann der Funke eine Temperatur von dreißigtausend Grad Celsius erzeugen, Lauren – das ist die sechsfache Temperatur der Sonnenoberfläche.«
    Oh nein, dachte ich erschrocken. Woher war
das
denn gekommen?
    Unvermittelt wurde mir übel, und ich fragte mich, ob ich vom Krankenhaus wohl eine Schüssel bekäme, die ich mit in Dans Auto nehmen könnte, als dieser seinen Kopf durch den Vorhang streckte.
    »Alles okay?«
    Ich rieb mir das Gesicht und blickte matt zu ihm auf. »Mir ist plötzlich ein wenig schlecht. Ist der Pfleger noch in der Nähe?«
    »Ich schaue mal.«
    Rasch kam er mit dem Pfleger zurück, der voller Freundlichkeit und Mitleid war.
    »Wollen Sie hier nicht noch ein Weilchen warten? Und sehen, ob’s vorbeigeht?«, fragte er und befühlte meine Stirn. »Möglicherweise wurden Ihre Ohren durch den Blitz in Mitleidenschaft gezogen, und Sie leiden nun unter einer Art Bewegungsübelkeit. So was kann bekanntermaßen auch zu Taubheit führen. Vielleicht sollte ich doch noch mal einen Arzt holen. Hören Sie richtig? Ist Ihr Sehvermögen in Ordnung?«
    Ich nickte. »Mir geht’s gut, ehrlich, mir ist nur ein bisschen übel. Ich habe mich an etwas erinnert, das ich während meiner Ohnmacht geträumt habe. Daraufhin habe ich mich sonderbar gefühlt, das ist alles. Könnte ich eine Schüssel mitnehmen, nur für den Fall?«
    »Natürlich«, beruhigte er mich. »Aber ich hole trotzdem Dr.Chin, damit er Sie schnell noch mal untersucht. Ich bin mir sicher, es ist ganz

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