Mein Tag ist deine Nacht
und bereitete mich innerlich darauf vor, ihnen möglichst mütterlich zu begegnen.
»Lauren«, murmelte Dr.Shakir leise. »Verschweigen Sie uns vielleicht irgendetwas?«
»Inwiefern?« Sofort befürchtete ich, er würde mein Geheimnis kennen.
»Ich weiß nicht. Vielleicht ist Ihr Gedächtnis vollständiger wieder zurückgekehrt, als Sie zugeben wollen?«
»Wieso sollte ich behaupten, ich könnte mich an nichts erinnern, wenn es nicht stimmt?«, fragte ich. Ich war mir unsicher, worauf er hinauswollte, aber er sah mich eigenartig an, und das gefiel mir nicht.
»Sie haben einen sehr anstrengenden Alltag«, meinte er mit einem Achselzucken. »Alle scheinen von Ihnen abhängig zu sein. Es kann kein Leichtes sein, mit vier kleinen Kindern fertig zu werden, noch dazu, wo einer der Zwillinge besondere Bedürfnisse hat.«
Ich starrte ihn an, innerlich aufatmend, dass er dachte, ich würde simulieren. Lieber das, als dass er die Wahrheit herausgefunden hatte. Ich hatte nicht die Absicht, meine restlichen Tage im Labor zu verbringen, im Schlaf an Monitore angeschlossen, und jede kleinste Einzelheit meines Lebens untersuchen zu lassen. Ich beschloss, so zu tun, als würde mich seine Bemerkung kränken.
»Wenn Sie andeuten wollen, dass ich meine Genesung absichtlich hinauszögere, dann täuschen Sie sich, das kann ich Ihnen versichern.«
»Seitdem Sie im Krankenhaus sind, scheint sich Ihr Wunsch, die Kinder zu sehen, in Grenzen zu halten«, strich er hervor. »Niemand macht Ihnen einen Vorwurf, Lauren, jeder braucht mal eine Ruhepause.«
»Vielleicht sollte ich mein Geheimnis, wie man sich ein friedvolles Leben verschafft, mit anderen gestressten Müttern teilen«, konterte ich. »Lasst euch von einem Blitz treffen, Mädels, das bewirkt Wunder und lässt eure Sympathiewerte sprunghaft ansteigen!«
Ehe der Arzt antworten konnte, erschien Grant mit den Kindern im Schlepptau, und ich gab nacheinander jedem einen Kuss auf die Wange. Teddy versuchte, das Gesicht im letzten Moment wegzudrehen, aber ich schaffte es, ihn aufs Ohr zu küssen. Das war das wenigste, was ich für Lauren tun konnte, fand ich.
»Hat euch die Chessington World of Adventures gestern denn gefallen?«, fragte ich sie.
»Wir haben ein paar wirklich coole Fahrten gemacht«, erzählte Nicole begeistert. »Die großen Sachen hat Papa uns nicht fahren lassen, aber Sophie und ich haben den Vampir-Ritt ausprobiert!«
»Toby und Teddy waren zu klein dafür«, warf Sophie mit einem Anflug von Enttäuschung ein. »Die wollten nur in die Bubbleworks und ins Beanoland.«
»Ich bin mit Papa in den Tiny Truckers gefahren!«, erklärte Toby aufgeregt, »und im Beanoland haben wir mit Schaumbällen geschossen und sind mit dem Bash-Street-Bus gefahren!«
»Und war Papa mit von der Partie?«, fragte ich lächelnd.
»Ich konnte mich nicht entziehen.« Grant verzog scherzhaft das Gesicht. »Die meisten Fahrgeschäfte dürfen von Kindern nur in Begleitung Erwachsener benutzt werden, und da die Zwillinge für vieles noch zu klein sind, war das nicht einfach.« Er sah mich ermattet an. »Es wäre besser und spaßiger gewesen, wenn es dir gut genug gegangen wäre, um mitzukommen, Lauren. Wir haben dich vermisst.«
Ich wandte meine Aufmerksamkeit Teddy zu. »Hat es dir auch gefallen?«
Er bohrte seine Schuhspitze in den Boden und wollte nicht antworten.
»Du weißt doch, dass ihn so etwas anstrengt«, meinte Grant seufzend. »Erinnerst du dich, als wir letztes Jahr mit den Kindern auf den Jahrmarkt gegangen sind und er sich die ganze Zeit unter meinem Jackett versteckt hat?«
Für kurze Zeit herrschte Stille, da jedem klar geworden war, dass sie vergessen hatten, dass ich rein gar nichts wusste.
»Kommt Mama heute nach Hause?«, traute sich Sophie als Erste zu sprechen.
»Möglicherweise schon, das hängt von den Ergebnissen der Kernspintomographie ab, und ob sich in den nächsten Tagen zu Hause jemand um sie kümmern kann«, sagte Dr.Shakir.
»Ich habe mir die Woche sowieso freigenommen«, meinte Grant. »Und Laurens Schwester Karen hat für nächste Woche ihren Besuch angekündigt.«
Dr.Shakir sah mich an. »Was meinen Sie, Lauren? Sind Sie bereit, zu gehen, auch wenn Ihr Erinnerungsvermögen noch nicht wiederhergestellt ist?«
Ich wollte ungern sagen, dass, wäre die Rückkehr meines Gedächtnisses das Kriterium dafür, mit den Richardsons heimzufahren, ich für immer im Krankenhaus bleiben würde. Laurens Erinnerungen standen mir nicht zur Verfügung. Ich
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