Mein Tag ist deine Nacht
dem Finger geistesabwesend über eine Arbeitsfläche, während ich hinter Grant durch den Raum schlenderte, und spürte die glatte Kälte unter meiner Berührung.
»Haben wir eine Zugehfrau?«, fragte ich ihn.
Er drehte sich um, und ihm war anzumerken, dass die unschuldige Frage ihn verunsicherte. Seine Gesichtsmuskeln verzerrten sich, doch dann zwang er sich zu einem Lächeln und nickte abrupt.
»Sie kommt jeden Vormittag für zwei Stunden.«
Wir waren im Flur angekommen, wo weißblau gemusterte Teller auf einem hohen, schmalen Bord standen und dazu passende Vasen auf Plinthen beiderseits der Haustür aus Eichenholz. Der Flurteppich war von einem bezaubernden Taubenblau, und ich stellte mir vor, wie er mit Frankies matschigen Pfotenabdrücken und Hundehaaren aussähe. Bei dem Gedanken hätte ich am liebsten losgekichert.
Ich muss wohl ein merkwürdiges Geräusch von mir gegeben haben, denn Grant drehte sich um und sah mich argwöhnisch an.
Ich bemühte mich um ein möglichst ausdrucksloses Gesicht und folgte ihm in einen wunderschönen Gesellschaftsraum. Auch dieser war mit taubenblauem Teppichboden, der perfekt zu den Chintz-Möbeln passte, ausgelegt. Offensichtlich hatte Lauren einen Sinn fürs Einrichten, allerdings fragte ich mich, wie sie es mit vier Kindern im Haus schaffte, dass alles so picobello aussah.
Da fiel mir auf, dass diese uns gar nicht überallhin begleitet hatten.
»Wo sind die Kinder?«
»Im Spielzimmer natürlich«, erwiderte Grant.
»Verbringen sie dort etwa ihre ganze Zeit?« Ich ignorierte seine Laune.
»Du magst es nicht, wenn sie sich im ganzen Haus ausbreiten, sie machen so eine höllische Unordnung«, entgegnete er knapp.
Während ich verlegen dastand und mich mit einer Hand an der Rückenlehne eines der beiden Sofas abstützte, grübelte ich, ob in meinem Freundeskreis ebenfalls jemand seine Kinder vom Wohnbereich fernhielt. Zwar hatte ich mit Kindern nie viel zu tun gehabt, doch normal erschien es mir dennoch nicht. Während ich mich in dem makellosen Wohnzimmer umsah, kam mir der Gedanke, dass die Richardsons Ordnungsfanatiker sein mussten.
»Wo bewahrt … bewahre ich meine Sachen auf?«, fragte ich.
»Was für Sachen denn?«, antwortete Grant verwirrt.
»Handtasche, Bücher, Korrespondenz, Nippes, was man halt so hat«, erwiderte ich und dachte an meine Wohnung und das Durcheinander an ungeöffneter Werbepost, dem halb geschriebenen Brief an meinen Bruder Simon und die offene Tüte mit Blumenerde, die in einer Küchenecke gelandet war.
»Du bewahrst deine Sachen in deinem Ankleidezimmer auf. Komm,« er trat an mir vorbei in den Flur. »Ich zeig’s dir.«
Vom Flur aus konnte ich die Kinder im Spielzimmer streiten hören.
»Alles okay mit ihnen?«, fragte ich, während Grant, der ihr Schreien und Kreischen scheinbar gar nicht wahrnahm, vor mir die Treppe hinaufging.
»Vielleicht sollten wir sie in den Garten rauslassen«, schlug er vor. »Sie sind daran gewöhnt, in den Schulferien organisiert zu werden.«
»Was tun sie denn normalerweise so?«
»Keine Ahnung. Normalerweise arbeite ich, wenn sie munter sind. Meine Arbeitszeiten dauern sehr lange, und die Betreuung der Kinder überlasse ich dir und dem Kindermädchen.«
»Kindermädchen?«
Er nickte. »Bis vor kurzem hatten wir ein Kindermädchen. Sie hat vor ein paar Wochen gekündigt, weil ihr die Kinder angeblich zu schwierig waren. Sie ist mit ihnen einkaufen, schwimmen und in den Park gegangen, so was in der Art. Du hattest sie lieber aus dem Haus.«
Diese Information überraschte mich. Ich hatte mir Lauren als hingebungsvollen Muttertyp vorgestellt.
Ich wartete, während er eine Tür öffnete. Sonnenlicht flutete auf den Flur, und wir traten in ein helles und geräumiges Schlafzimmer, das von einem Pfostenbett mit seidenen Vorhängen in blauen und cremefarbenen Tönen dominiert wurde. Ich ignorierte das Bett, ging zu dem riesigen Fenster hinüber und blickte in den Garten hinaus. Er war genauso ordentlich und durchgeplant wie das Haus, mit einer quadratischen Rasenfläche, die bei einer hohen Koniferenhecke und seitlichen Rabatten voller farbenprächtiger Blumen endete.
»Haben sie denn keine Schaukel oder so etwas?« Ich fragte mich, was sie tun würden, wenn Grant sie nach draußen trieb.
»Wir möchten nicht, dass der Garten mit ihrem Spielzeug übersät ist«, versetzte Grant. »Schließlich liegt der Park gleich um die Ecke, wenn sie was zum Spielen brauchen.«
Er öffnete eine der Türen, die
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