Mein Tag ist deine Nacht
vom Hauptraum abging, und winkte mich zu sich.
»Dein Ankleidezimmer.«
Der Raum war so groß wie mein Schlafzimmer zu Hause. Auf der einen Seite befand sich ein Sekretär und auf der anderen Reihen über Reihen mit Kleidungsstücken. Mein erster Gedanke war, dass
das
also der Grund war, warum Grant ein komplettes Outfit für Lauren ins Krankenhaus hatte bringen können. Ich war noch keinem Mann begegnet, der wusste, was er für seine Frau aussuchen musste, damit Kleidungsstücke wie auch Accessoires zusammenpassten, und war entsprechend verblüfft über diese außergewöhnliche Fähigkeit meines vermeintlichen Ehemanns gewesen.
Nun, als ich auf die Unmengen vollständiger Ensembles blickte, begriff ich, dass Lauren von ihrem Aussehen besessen gewesen sein muss. Alles war in Farbfolgen von Malven- und Blau- bis hin zu Brauntönen und Schwarz aufbewahrt. In einer Ecke stand eine große Schmuckschatulle, und unter den Kleidern standen reihenweise Schuhe in allen Farben und Stilrichtungen.
Unwillkürlich kam mir Imelda Marcos in den Sinn, rasch gefolgt von einem Bild meines eigenen Kleiderschranks mit den schicken, wenn auch unabenteuerlichen Arbeitskleidungsstücken auf der einen und meinen Jeans und Jogginganzügen auf der anderen Seite. Zum Ausgehen besaß ich ein paar gewagtere Outfits und ein buntes Sammelsurium an Schuhen, die verstreut auf dem Boden darunterlagen.
Ich fuhr mit den Händen über die Kleidungsstücke, kam mir dabei wie in einer exklusiven Boutique vor und fragte mich, ob ich ein paar von Laurens Sachen nicht irgendwie in meine Wohnung schaffen könnte. Komisch allerdings, wie unlauter einem das erschien. Hier war ich als Lauren, besaß diese Klamotten, und doch wäre es mir wie Diebstahl vorgekommen, hätte ich mir als Jessica etwas davon angeeignet.
Das hielt mich jedoch nicht davon ab, eines der Kleider vom Bügel zu nehmen und an mich zu halten. Ich betrachtete mich in dem Ganzkörperspiegel und drehte mich hin und her, so dass mir der fließende Stoff um den Körper wirbelte. Es sah teuer aus und fühlte sich auch so an, und ich überlegte, wie viele Stunden ich in der Rechtsanwaltskanzlei arbeiten müsste, um mir solch ein Kleid leisten zu können. Ich nahm ein weiteres Outfit und stellte mir mich in diesem eleganten, cremefarbenen Kostüm mit betonter Taille, dem langen Rock und den passenden Schuhen vor. Es hätte mich gereizt, es anzuprobieren, doch irgendwie kam es mir wie Verrat gegenüber meinem wahren Ich vor. Ich kramte in einer Schachtel voller Modeschmuck, hielt mir dann mit der anderen Hand eine farblich passende Kette aus Muscheln und Perlen an den Hals und stellte mir mit verengten Augen ein leicht jüngeres Ich als Jessica vor, die das Ganze trug. Eines Tages würde ich mir solche Dinge leisten können, aber es wäre ich, Jessica, die das durch harte Arbeit und Entschlossenheit erreicht haben würde. Ich tanzte von einer Seite zur anderen, und der Rock umspielte sacht meine Schienbeine. Frankie hätte es sowieso bald schmutzig gemacht, dachte ich, als ich das Kostüm mit einem reuevollen Lächeln zurückhängte.
»Deine wertvollen Schmuckstücke sind im Safe«, sagte Grant gerade hinter mir. »Die Kombination nenne ich dir später.«
Ich dachte an den Safe in der Kanzlei und rasselte im Geiste die Kombination herunter. Wie konnte ich mich einfach so an Einzelheiten erinnern, wenn das andere Leben nicht real war, dachte ich trotzig? Mit gerunzelter Stirn vergegenwärtigte ich mir den Terminkalender auf meinem Schreibtisch bei Chisleworth & Partners. Alles hinsichtlich dieses Lebens war so klar; ich konnte mich nicht nur an die Raumaufteilung des Büros mit seinen Schreibtischen, Stühlen und der Kaffeemaschine in der Ecke erinnern, sondern auch an die Daten der Gespräche meines Chefs mit seinen Mandanten, der Vertragsfristen und Gerichtsauftritte. Das andere Leben – mein Leben – musste einfach mehr als ein verwirrender Traum sein, der durch die Kurzschlüsse im Gehirn dieser Frau verursacht worden war.
Grant verschwand aus der Tür, und ich hörte, wie er eine Tür neben der zum Ankleideraum öffnete.
»Das angeschlossene Badezimmer«, sagte er, als ich hinter ihn trat. »Genaugenommen ist es deines. Ich benütze das vom Gästezimmer am Ende des Flurs, dann behindern wir uns morgens nicht, wenn wir uns für die Arbeit fertig machen.«
»Wir?«, wiederholte ich töricht. »Arbeite ich? Mal abgesehen davon, dass ich mich um die Kinder kümmere, meine ich?«
»Du
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