Mein total genialer Doppelgaenger
Höhle des Löwen begab. Oder in diesem Fall wohl eher in die Höhle des wahnsinnigen Wissenschaftlers.
Aber er hatte keine Wahl.
Er befestigte ein Seilende so gut er konnte an der Brüstung, fasste es mit beiden Händen und ließ sich über die Brüstung rutschen.
Nur rutschte er im wahrsten Sinne des Wortes.
Er verlor das Gleichgewicht und das Seil entglitt seinen Händen. Er raste auf den Fliesenboden unter sich zu. Doch kurz bevor er zu Fisher-Brei wurde, ging ein Ruck durch das Seil und er blieb einen guten Meter über dem Boden hängen. Er hielt sich mit der linken Hand den Mund zu, um einen Schmerzensschrei zu unterdrücken.
Sein rechter Arm und sein linkes Bein hatten sich im Seil verheddert und er baumelte langsam hin und her. Fisher schüttelte den Kopf, um das Schwindelgefühl zu vertreiben. So sehr er sich auch mühte, er bekam seine Gliedmaße nicht frei. Jedes Mal wenn er am Seil zerrte, schwang es in die eine oder in die andere Richtung und so pendelte er in irrwitzigen kleinen Kreisen und Schleifen herum. Wenn er allein gewesen wäre, hätte er einfach eine halbe Stunde gewartet, bis sich das Seil auflöste, aber die Halle war voller Leute. Es war überhaupt ein Wunder, dass ihn noch niemand bemerkt hatte. Er konnte von Glück sagen, dass alle Blicke an den Monitoren klebten.
Er spähte hinüber und stellte fest, dass der ganze Raum wie gebannt auf einen bestimmten Bildschirm starrte. Darauf war ein Roboter zu sehen, der ein taschenrechnerartiges Gerät testete.
»Welche Fortschritte sind beim Ermunterungsrechner zu verzeichnen?«, erkundigte sich Dr. X gerade. Jetzt, da Fisher ihm näher war, kam ihm seine Stimme seltsam vertraut vor, auch wenn Fisher sie nicht zuordnen konnte.
»Er scheint zu funktionieren, Sir«, sagte ein Mitarbeiter. »Wir machen gleich noch einen Test …«
Auf dem Display des Rechners blinkte es.
»Fünf …«, fing der Roboter mit blecherner, emotionsloser Stimme an, die Frage abzulesen, »… mal zwei.« Er tippte zwei Ziffern ein. »Dreizehn.« Daraufhin stieß der Rechner ein lautes, schroffes Quäken aus, und ein winziger Boxhandschuh an einer Sprungfeder ploppte heraus und haute dem Roboter dorthin, wo bei einem Menschen die Nase wäre.
»Hm …«, machte Dr. X. »Schon besser als beim letzten Versuch. Bleiben Sie dran.«
Das musste eine weitere der hirnverbrannten Erfindungsneuheiten sein, die Dr. X am laufenden Band herausbrachte. Und nun verstand Fisher auch, warum. Sie dienten der Ablenkung. Kleine, amüsante, piepsende Dinger, die die Aufmerksamkeit der Leute von dem abzogen, was er wirklich machte.
Fisher verfiel langsam in Panik. Er hing verschnürt wie eine Antilope in der Höhle des Löwen. Wenn er bloß an den kleinen Beutel hinten an seinem Gürtel käme, dann könnte er vielleicht sein Spionmesser zu fassen kriegen, bei dem es sich eigentlich bloß um ein normales Schweizer Taschenmesser handelte, das er schwarz angemalt und mit der Aufschrift »Spionmesser« versehen hatte.
Mit seiner freien Hand zerrte er am Seil, verdrehte seinen Körper und versuchte das verhedderte Bein als Hebel zu benutzen. Seine Hand rückte Zentimeter um Zentimeter näher, bis er schließlich an seinen Rucksack gelangte und den Reißverschluss erwischte. Fast …
Dann spürte er plötzlich, wie etwas unter seiner Hand leicht nachgab, und hörte ein Klicken.
»Oh nei- rrrmpf !«, war alles, was er noch herausbekam, bevor der zuverlässige Busch-im-Rucksack sich ausklappte. Die mechanischen Arme schossen heraus, das Tarnnetz wickelte sich um ihn und die Astattrappen klappten in Position, sodass Fisher völlig eingehüllt war, noch hilfloser als vorher und völlig orientierungslos.
Als er da so in seiner Pflanzen-Verkleidung hing, hörte er eilige Schritte näher kommen und durch das Netz hindurch erspähte er einen Wachmann.
»Äh … Sir?«, sagte der Mann, doch dann schienen ihm die Worte zu fehlen. Er zeigte bloß in Fishers Richtung.
»Was ist denn?«, sagte Dr. X mit seiner rauen Stimme. »Ich hab hier wirklich Wichtiges zu … äh …« Er verstummte und wieder hallten Schritte, diesmal absolut präzise und entschlossen, über den blank polierten Boden des Kontrollzentrums. »Warum«, fragte Dr. X, »baumelt da ein Busch zehn Meter unterhalb der Galerie?«
»Nun, ich finde, er schafft eine freundliche Atmosphäre«, warf eine andere Mitarbeiterin ein. »Ein bisschen Grün als Kontrast zu all der industriellen Monotonie ist doch wirklich … äh …« Dr. X
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