Mein Traum wohnt nebenan
Und der Kuss, nur der Kuss? Wie war er?“
„Heiß.“
„Oh, ich muss das Fenster aufmachen. Ich fange an zu schwitzen.“ Sie sprang auf, öffnete es und sog die frische Luft ein. „Es war also heiß, sehr heiß. Erzähl weiter.“
„Es war, als würde man… verschlungen. Als würde man …“ Hilflos hob Cybil die Hände. „In deinem Kopf dreht sich alles wie wild und … Ich weiß nicht, wie ich es beschreiben soll.“
„Du musst.“ Jody stellte sich dicht vor Cybil. „Auf einer Punkteskala von eins bis zehn .. Wie viel?“
Cybil schloss die Augen. „Es gibt keine Skala.“
„Es gibt immer eine Skala.“
„Nein, Jody.“
Jody stemmte die Hände in die Hüften. „Dass es Küsse gibt, die nicht zu messen sind, ist ein romantisches Gerücht.“
„Es gibt sie“, beharrte Cybil. „Glaub mir, Jody, es gibt sie. Ich bin der lebende Beweis.“
„Ich muss mich hinsetzen.“ Jody ließ sich wieder auf den Stuhl fallen. „Du hast es wirklich erlebt. Die meisten Frauen würden dich auslachen, aber ich glaube dir, Cyb.“
„Ich wusste, dass ich mich auf dich verlassen kann.“
„Du weißt, was das bedeutet, oder? Er hat dich für immer verdorben. Ab jetzt wird selbst eine Zehn dir nicht mehr reichen. Du wirst immer auf den nicht zu messenden Kuss warten.“
„Daran habe ich auch schon gedacht.“ Cybil tippte mit einem Bleistift auf die Tischplatte. „Ich glaube aber, man kann ein durchaus glückliches Leben führen und sich mit Küssen zwischen … sagen wir … sieben und zehn begnügen, selbst nach dieser Erfahrung. Die Menschheit fliegt zum Mond und kehrt immer wieder auf die Erde zurück.“ „Sehr vernünftig“, murmelte Jody. „Und so tapfer.“ „Danke. Aber bis dahin“, bemerkte Cybil lächelnd, „kann es nicht schaden, hin und wieder an die Tür gegenüber zu klopfen.“
Cybil sang gerade mal wieder fröhlich vor sich hin, als der Summer an ihrer Sprechanlage sich meldete.
„Ja?“
„Ich möchte zu McQuinn, 3A.“
„McQuinn wohnt 3B.“
„Na gut. Warum macht er nicht auf?“
„Vermutlich hört er Sie nicht. Er übt.“
„Lassen Sie mich herein, ja? Ich bin seine Agentin und habs eilig.“
„Seine Agentin.“ Cybil war begeistert. Quinns Agentin musste sie unbedingt kennen lernen. Sie hatte schon ein halbes Dutzend Namen, bei denen Quinn sich um einen neuen Job bewerben konnte. „Sicher. Kommen Sie herauf.“
Sie ließ die Agentin ins Haus, öffnete ihre Wohnungstür und wartete.
Die Frau, die in einem eleganten roten Kostüm aus dem selten benutzten Fahrstuhl trat, sah sehr professionell, sehr erfolgreich aus. Sie war schlank und drahtig, mit einem unverwechselbaren Gesicht, verärgert blitzenden blauen Augen und einer blonden Mähne.
Der lederne Aktenkoffer in ihrer rechten Hand musste in etwa so viel gekostet haben, wie man für ein Apartment in Manhattan monatlich an Miete zahlte.
Warum war Quinn arbeitslos, wenn seine Agentin sich ein solches Outfit leisten konnte?
„3A?“
„Ja. Ich bin Cybil.“
„Amanda Dresher. Danke, Cybil. Unser Junge geht nicht ans Telefon und hat offenbar vergessen, dass wir um eins im ‚Four Seasons‘ verabredet waren.“
„Im ‚Four Seasons‘?“ Verblüfft starrte Cybil die Frau an. „An der Park Avenue?“
„Gibt es noch ein Hotel, das so heißt?“ Lachend hielt Mandy den Summer von 3B gedrückt, denn sie kannte ihren Schützling. „Preston ist mein größtes Talent, aber er kann verdammt schwierig sein.“
„Preston“, wiederholte Cybil und brauchte fast eine Minute, bis sie begriff. „Preston McQuinn. Der Schriftsteller. Er hat ‚Verstrickungen der Seelen‘ geschrieben.“
„Genau der“, bestätigte Mandy lächelnd. „Komm schon, McQuinn, mach auf, ja? Der Bursche raubt mir den letzten Nerv. Na endlich …“
Heftiger als nötig drehte sich der Schlüssel im Schloss. Dann wurde die Tür aufgerissen. „Was zum Teufel… Mandy?“
„Wir waren zum Lunch verabredet“, fauchte die Agentin. „Und warum nimmst du nicht ab?“
„Die Verabredung habe ich vergessen, und mein Handy hat nicht geläutet.“
„Wieder mal den Akku nicht aufgeladen?“
„Wahrscheinlich nicht.“ Er sah zu Cybil hinüber, die ihn aus großen Augen in einem blassen Gesicht anstarrten. „Gib mir eine Minute.“
„Ich habe dir schon eine Stunde gegeben.“ Mandy warf einen Blick über die Schulter. „Danke, dass Sie mich hereingelassen haben, Süße.“
„Kein Problem.“ Cybil sah Preston in die Augen. „Du
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