Mein Traummann die Zicke und ich
wissen, ob meine Neuigkeiten ihm nicht die Herzattacke bescheren werden, von der er uns immer erzählt, wenn er wieder zu tief in sein Whiskyglas geschaut hat. Geh und rede mit ihm, Bruder, gib seiner Seele Frieden und versichere ihm, dass die ehrwürdige Aufgabe, den Namen Grainger bis in die Ewigkeit fortzuführen, wenigstens von einem seiner Söhne wahrgenommen wird.«
»Du hast gerade gesagt, er sei ein altes Schlachtross, das einfach ewig weiterlebt, wenn es sein muss, als du dir dein Gewissen darüber erleichtern wolltest, dass du Balcannon in meine Obhut gibst.« Sol schüttelt den Kopf, aber er sieht nicht unglücklich aus. »Vi, macht es dir etwas aus?«
»Geh nur und rede mit deinem Vater.«
»Ich meinte eigentlich die Tatsache, dass das alles eines Tages mal uns gehören wird?«
»Na ja, da ich so viele Schuhe von Elspeth bekomme, habe ich dann wenigstens ausreichend Platz, sie alle unterzubringen«, tue ich die Frage mit einem Scherz ab, weil ich mich im Moment nicht in der Lage fühle, mir vorzustellen, was das für uns als Paar bedeuten würde. Welche Veränderungen das bringen würde, ob wir wollen oder nicht. Die Unmöglichkeit, uns von
familiären Feierlichkeiten fernzuhalten, familienpolitischen Angelegenheiten … Familienmitgliedern.
»Alles in Ordnung?«, fragt Aidan, nachdem Sol mich auf die Wange geküsst und sich auf die Suche nach seinem Vater gemacht hat.
Ich nicke.
»Willst du reden?«
»Ja«, antworte ich, »aber nicht heute Abend. Heute Abend wird gefeiert. In unserem Namen, aber auch in eurem.«
Und dann höre ich die ersten Takte eines Bob-Marley-Songs erklingen, und Onkel Silas wirbelt wieder vor mir herum.
»Kann ein hässlicher alter Mann es wagen, mit einer schönen jungen Frau zu tanzen?« Er streckt seine Hände nach mir aus.
»Natürlich.« Ich lächle und nehme sie. »Wenn du mir einen hässlichen alten Mann suchst, mit dem ich tanzen könnte. Aber in der Zwischenzeit: Kann eine noch recht junge, mit ihrer Kriegsbemalung nicht allzu schlecht aussehende Frau es wagen, mit einem wenn auch etwas älteren, aber keineswegs alten, dafür aber teuflisch attraktiven Mann zu tanzen?«
Silas’ Grinsen wird noch breiter als üblich. »Komm schon, Süße«, sagt er und schwingt bereits die Hüften. »Ich glaube, sie spielen unser Lied.«
Silas plappert fröhlich, während wir tanzen. Er sagt mir mit seiner rumgetränkten Stimme, wie schön ich aussehe, wie schön alle aussehen heute Abend, wie Marilyn in ihrem gelben Kleid strahlt, das ihn an die karibische Sonne erinnert, wie glücklich er und Marilyn darüber sind, dass Sollie und ich heiraten werden, dass wir sie vielleicht auf Jamaika besuchen könnten, und obwohl ich versuche, mich auf meinen neuen Freund zu konzentrieren und mich über seine netten und warmherzigen Worte zu freuen, lassen mein Lächeln und meine
Antworten offenbar zu wünschen übrig, denn nach einer Weile bleibt er stehen und sieht mich forschend an.
»Ist alles in Ordnung, meine Blume? Du siehst nicht so glücklich aus, wie du anlässlich des Ereignisses eigentlich sein müsstest.«
Ich will abwiegeln und »Doch, natürlich« sagen, aber ich kann nicht.
Die Tränen, die ich seit einer halben Stunde stoisch hinunterschlucke, lassen sich nicht mehr unterdrücken und drängen wieder mit Macht nach oben. Hinter Silas’ Schulter, der für mich der Inbegriff an verwandtschaftlicher Perfektion ist, sehe ich Pippa stehen. Sie lächelt, nein, sie strahlt übers ganze Gesicht, sie hat ihre Haltung komplett wiedergefunden. Sie sieht fast unheimlich zufrieden aus, geradezu ekstatisch.
Als sie merkt, dass ich zu ihr hinsehe, hat sie die Dreistigkeit, mir mit ihrem Glas zuzuprosten. Und mir wird schlagartig klar, dass das hier niemals funktionieren wird. Denn solange diese Hexe in der Nähe ist, gibt es für mich kein Happy End.
Sie wusste, wie Sollie auf den Verlust des Rings reagieren würde. Er hat ein so ausgeprägtes Unrechtsbewusstsein, er ist Anwalt, um Himmels willen, und sie wusste, dass er vielleicht entsetzt gewesen wäre, wenn der Ring verschwunden wäre, aber sie wusste auch, dass er ein materielles Ding niemals über die Gefühle zu jemandem stellen würde, den er liebt.
Das Vergnügen, das sie an der ganzen Sache hatte, lag nicht in der Szene auf der Party, sondern in dem Teil, den sie nicht gesehen hat; dem Teil, als ich das Fehlen des Rings bemerkt habe und sie wusste, wie ich mich fühlen würde, welche Ängste ich ausstehen, wie verzweifelt
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