Mein Traummann die Zicke und ich
noch aus einem Müllhaufen etwas Brauchbares heraus. Ihre eigenen Sachen sind meist Fundstücke aus Wohltätigkeitsbasaren in feinen Wohngegenden, wo die abgelegten Klamotten reicher Ladys verscherbelt werden. Sie ist für Designermode das, was ein Schwein für Trüffel ist.
Als ich das Päckchen aufmache, sehe ich sofort, dass dieses Kleid keins ihrer »Schnäppchen« ist. Das Etikett hängt noch dran, und es steht der Name des Luxuslabels »Issa« drauf. Obwohl sie das Preisschild sorgfältig geschwärzt hat, schreien der
Schnitt, das Material und die Marke TEUER. Sie schreien SEHR TEUER.
Es ist ein unglaublich schönes, kobaltblaues Seidenkleid mit V-Ausschnitt. Ich ziehe es hastig an und sehe sofort, dass es mein Dekolletee betont und meine Hüften und den Hintern so vorteilhaft umschmeichelt, dass ich heulen könnte vor Glück. Fast bin ich dankbar dafür, dass mein anderes Kleid hinüber ist, so gut steht mir dieses. Das bin einfach ICH. Oder sagen wir: Das wäre ich als Millionärin. Jedenfalls sieht es einfach toll aus, und ich sehe auch toll darin aus. Ich liebe es. Ich liebe Jas.
Ich rufe sie sofort an, um mich zu bedanken, und als ich sie nach dem Preis frage, schimpft sie erst mit mir, weil es unhöflich ist, sich nach dem Preis eines Geschenks zu erkundigen, aber dann verrät sie mir, dass sie ihren Personalrabatt dafür eingesetzt hat. Ich schätze, dabei ist ihr Personalrabatt für ein ganzes Jahres draufgegangen. Entweder das, oder sie hat es sich »ausgeliehen«, man beachte die Anführungszeichen. Ich bin zwischen Beschämtheit und Dankbarkeit hin- und hergerissen. Ich verrate ihr meine Gedanken dazu, und sie lacht und sagt, ich solle nicht albern sein: Ob ich sie jemals mehr als zwanzig Pfund für irgendetwas habe ausgeben sehen. Das habe ich wirklich nicht. Ich fühle mich schon besser. Also bedanke ich mich ausgiebig, verspreche ihr, sie die nächsten zwei Jahre jeden Sonntag mit ihren Lieblingsmuffins zu versorgen, und stelle mich schnell wieder vor den Spiegel, um mich in all meiner neuen Pracht zu bewundern.
Mein Spiegelbild strahlt mich an, und zwar nicht nur, weil ich mich in diesem Kleid fühle wie Marilyn Monroe – ich sehe vielleicht nicht aus wie sie, aber ich fühle mich wie sie -, sondern auch, weil Jas sich für mich ins Zeug gelegt hat. Nur für mich. So gern hat sie mich.
Und wenn jemand, der nicht zur Familie gehört, mich so sehr mag, kann ich nicht so schlecht sein, oder?
Eine Stunde später klopft Sol an die Tür. Ich liege längst im Bett und habe das Kleid sorgfältig in seine Plastikhülle zurückgeschoben, unter Sols tollem Anzug versteckt und beides in die hinterste Ecke des Kleiderschranks gehängt. Was immer mit dem anderen teuren Teil passiert ist, ob ich es selbst versaut habe oder ob es Philly war, diesmal gehe ich auf Nummer sicher.
»Alles okay?«, fragt er und setzt sich auf die Bettkante.
»Ja, ich bin nur müde. Man muss sich Gedanken machen, wenn man nicht mehr mit Leuten mithalten kann, die doppelt so alt sind wie man selbst.«
»Da würde ich mir keine Sorgen machen. Die Jungs und Mädels sind eingefleischte Partygänger, während du und ich nur arme Workaholics sind, die nicht mal dann jeden Abend feiern könnten, wenn Mick Jagger persönlich uns Unterricht geben würde. Ich bin selbst auch total erschöpft. Mach mal Platz für mich.«
Ich rutsche von der Mitte des Betts auf meine Seite und sehe ihm beim Ausziehen zu.
»Was denkst du gerade?«, fragt er mich, als ihm auffällt, wie ich seinen schönen Körper betrachte.
»Dass, wenn es irgendjemand gäbe, der er sich leisten könnte, nackt herumzulaufen, du das wärst.«
Er lacht, schlüpft zu mir unter die Decke, legt seine Arme um mich und gähnt ausgiebig.
»Gut, dass ich überhaupt keine Lust habe, diesen Gedanken in die Tat umzusetzen.«
»Was für ein Jammer«, murmle ich ebenfalls gähnend.
»Ist ein bisschen spät geworden gestern, was?«
»Mhm …«, brumme ich und muss auch an den unangenehmeren Teil des Abends denken. Ich warte, bis er die Augen wieder aufschlägt.
»Sol, ich streite mich nicht gern.«
»Ich mich auch nicht, wir sollten es also nicht zur Gewohnheit werden lassen … Vi, darf ich dich was fragen?«
»Klar«, murmle ich schlaftrunken.
»Ist mit dir und Philly alles okay?«
Ich reiße die Augen wieder auf. »Wieso?«
»Na ja, ich habe gestern eine merkwürdige Spannung zwischen dir und ihr gespürt.«
»Hast du?«
»Du nicht?«, kontert er.
Ich antworte
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