Mein ungezähmter Highlander
welches seine Mutter bei der Geburt verloren hatte, und der Frau, die sich nach der romantischen Liebe der Troubadoure sehnte. Als sie sich im Raum umschaute und in die glücklichen und fröhlichen Gesichter der Menschen schaute, sah Isabel, dass sie nicht die Einzige war, die sich von der Geschichte hatte rühren lassen. Die MacLeods bewahrten das berühmte Feenbanner wie einen Schatz, und von ihren stolz strahlenden Gesichtern konnte sie ablesen, dass sie an dessen Zauberkraft glaubten.
Isabel wusste, dass es im Grunde keine Rolle spielte, ob dem Banner wirklich Feenzauber innewohnte. Die MacLeods glaubten daran, und Glaube konnte genauso mächtig sein wie Wahrheit. Ihr Onkel wollte diese Macht an sich bringen – ob nun für die MacDonalds oder einfach nur, um die MacLeods zu vernichten. Das spielte keine Rolle. Wenn den MacLeods erst der Talisman genommen war, aus dem sie ihre Kraft schöpften, würde das ihre endgültige Vernichtung bedeuten. Natürlich würde es auch nicht schaden, wenn es ihr gelänge, einen geheimen Eingang zur Feste zu entdecken.
Voller Schuldgefühle wandte sie den Blick von den fröhlichen Clansleuten ab. Sie hatte fast das Gefühl, in diesem ganz besonderen Moment zu stören – als würde sie sich in ein heiliges Ritual drängen. Nachdem Isabel nun vom Ursprung der Geschichte um das Feenbanner gehört hatte, verspürte sie so etwas wie Furcht. Sie würde das Werkzeug zu ihrer Vernichtung sein. Und sie erkannte außerdem, dass es noch eine weitere Schwierigkeit gab – als wäre das Aufspüren des Banners und die Flucht aus der Feste, ohne dabei erwischt zu werden, nicht schon genug. Sie musste sich auch vorsehen, nicht den Tod zu finden. Isabel warf dem mächtigen Mann, der neben ihr saß, einen schnellen Blick zu und war sich nur allzu sehr einer Sache bewusst: Wenn das Banner sie nicht umbrachte, dann bestimmt Rory, sollte er je hinter ihren Verrat kommen.
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V ielleicht hatte das Kleid doch seinen Zweck erfüllt, dachte Isabel, als ihr Blick auf die Fetzen fiel, die immer noch auf dem Boden ihres Schlafgemachs lagen. Wenn es auch nicht die erhoffte Reaktion hervorgerufen hatte, war sie doch zumindest mit einer Reaktion belohnt worden. Und während der Abend voranschritt, spürte sie, dass Rory etwas auftaute. Zum ersten Mal hatten sie sich ganz entspannt miteinander unterhalten, ja hatten manchmal sogar miteinander gescherzt. Er war zwar noch genauso beeindruckend wie zuvor, doch nicht mehr ganz so distanziert. Sie hatte sich in der Gesellschaft von Rory und seiner Schwester wohl gefühlt.
Aber die Geschichte vom Feenbanner hatte sie dann wieder unsanft in die Realität zurückgeholt. Wenn man dem, was der Seannachie erzählt hatte, Glauben schenken konnte, dann wusste sie jetzt, wo das Banner aufbewahrt wurde: in einer verschlossenen Kiste, die von Rory an einem sicheren Ort verwahrt wurde. Jetzt brauchte sie Rory nur noch dazu zu bringen, ihr zu sagen, wo die Kiste war, sie holen, den geheimen Eingang finden und gehen. Ganz einfach.
»Klar«, stieß sie höhnisch hervor. Der Mann wollte sie in elf Monaten nach Hause zurückschicken, und der sollte ihr das größte Geheimnis des Clans anvertrauen? Höchst unwahrscheinlich. Trotzdem musste sie es versuchen. Ansonsten bliebe ihr nur, nach Hause zurückzukehren und Zeuge der Niederlage und Vernichtung ihres Clans durch die Mackenzies zu werden. Mit anderen Worten: Sie hatte gar keine andere Wahl.
Sie mochte gar nicht daran denken, was Rory tun würde, wenn er hinter ihre List kam. Wie würde er mit einem Verräter verfahren? Würde man sie töten? Verstümmeln? Einsperren? Sie nahm es nicht an. Selbst am Anfang, als er noch so distanziert und kalt gewesen war, hatte sie bei ihm keinen Hang zur Grausamkeit feststellen können, und jetzt konnte sie es sich noch viel weniger vorstellen. Er schien nicht zu den Männern zu gehören, die es genossen, einer Frau gegenüber gewalttätig zu sein. Tatsächlich war es eher so, dass er seine Liebe zu seiner Schwester ziemlich offen zeigte. Das war etwas, was viele Männer in seiner Position nur sehr widerwillig tun würden, weil sie nicht für schwach gehalten werden wollten. Würde er vielleicht gar in der Lage sein, ihr zu vergeben? Sie lachte höhnisch. Schotten vergaben nicht – das Wort Vergebung kam in ihrem Wortschatz gar nicht vor. Nein, er war ein stolzer Mann, und das, was sie vorhatte, würde seinem Stolz einen Schlag versetzen. Er würde ihr nie vergeben.
Die Verzweiflung,
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