Mein ungezähmter Highlander
seiner letzten Reise nach London vor ein paar Jahren hatte er das vor kurzem erschienene Versepos Faerie Queene von Edmund Spenser erworben. Ein Versroman um König Arthur und seine herrliche Feenkönigin – eine offene Anspielung auf Queen Elizabeth – der in Vergil’scher Tradition verfasst worden war. Es war eines seiner Lieblingsbücher, und irgendwie wusste er instinktiv, dass es auch Isabel gefallen würde. Es erinnerte ihn an sie.
Ihre schönen Glieder ruhen dort so zart
Ein köstlicher Wesen die Sonne noch zu sehen harrt
Zum Schluss band Rory noch sein Haar mit einem Band zusammen, um dann zur Bibliothek zu gehen. Je eher er sich darum kümmerte, desto besser. Am besten man vergaß, was in der letzten Nacht vorgefallen war.
Wie es das Schicksal wollte, entdeckte Isabel bei ihrer Suche nach Rory die Bibliothek, nach der sie in der vergangenen Nacht vergeblich gesucht hatte, im zweiten Stock des Feenturmes. Es war ein kleiner, aber sehr anheimelnder Raum. Regale voller ledergebundener Bücher säumten die Wände, die mit Wandteppichen geschmückt waren. Durch große Fenster fiel ausreichend Licht und bequeme, gepolsterte Stühle standen um einen auf Hochglanz polierten Holztisch.
Margaret, die nicht größer als ein Kind aussah, saß am großen Tisch und war offensichtlich in irgendetwas Wichtiges vertieft, denn sie bemerkte nicht, dass Isabel in der Tür stand. Lächelnd beobachtete Isabel, wie sich Margaret mehrmals tief in Gedanken versunken mit der Schreibfeder an die Schläfe klopfte. Sie hatte die Nase kraus gezogen und ihre Lippen zuckten verwirrt, während sie die Unterlagen studierte.
»Ich hoffe, ich störe nicht«, sagte Isabel.
Margaret hob den Kopf mit den glänzenden blonden Haaren. Die üppigen Locken waren heute zu einem festen, langen Zopf geflochten. Die schwarze Klappe verbarg den größten Teil ihrer Gesichtszüge, nicht jedoch das etwas unsichere Lächeln, mit dem sie sie begrüßte. »Guten Morgen, Isabel. Was für eine schöne Überraschung. Um die Wahrheit zu sagen – ich freue mich über alles, was mich von den Haushaltsbüchern ablenkt.« Mit deutlich erkennbarer Freude rückte sie vom Tisch ab. »Mein Kopf schmerzt bereits von der Mühe, die es macht, Ordnung in all diese Zahlen zu bringen. Ich muss gestehen, dass dies der lästigste und schwierigste Teil meiner Pflichten ist, seitdem Geoffrey, der alte Seneschall, gestorben ist. Wir haben bisher noch keinen Ersatz für ihn gefunden, sodass ich mich um die Bücher kümmern muss. Und da Michaelis vor der Tür steht, müssen die Haushaltsbücher abgeschlossen sein, ehe ich mit dem Anlegen der neuen für das nächste Jahr beginnen kann.«
Isabel kam um den Tisch herum, um einen Blick in das Hauptbuch zu werfen. Sie wandte sich mit einem verlegenen und gleichzeitig verständnisvollen Lächeln an Margaret. »Ich hoffe, Ihr findet es nicht dreist, aber ich könnte Euch vielleicht dabei helfen.« Etwas verschämt fügte sie als Erklärung hinzu: »Bei Hofe habe ich gemerkt, dass ich ein eigentümliches Geschick für diese Art von Arbeit habe – ich habe die Summen im Kopf, ohne groß darüber nachdenken zu müssen. Queen Anne ließ mich häufig ihre Haushaltsbücher durchsehen. Um die Wahrheit zu sagen: Ihr würdet mir sogar einen Gefallen damit tun. Es würde mir Freude machen, etwas zu haben, womit ich mich beschäftigen kann.«
Margaret sah sie an, als wären ihr plötzlich Flügel gewachsen und ein Heiligenschein über ihrem Kopf erschienen. Sie
grinste und auf ihrem übermütigen Gesicht erschienen tiefe Grübchen, wie sie auch Rory hatte. »Das meint Ihr nicht im Ernst? Ihr wollt Euch tatsächlich mit dieser stumpfsinnigen Schinderei abgeben? Wir haben immer große Schwierigkeiten gehabt, jemanden zu finden, der uns die Haushaltsbücher führt. James, der Gutsverwalter, kann Euch in Bezug auf die Einnahmen aus Verpachtungen und Viehverkäufen helfen, während Deidre Euch sagen kann, wie viel dieses Jahr für Essen, Haushalt und Gäste ausgegeben wurde. Meint Ihr wirklich, dass es Euch nichts ausmacht?«
»Betrachtet es als erledigt.« Isabel bedachte sie mit einem breiten Lächeln.
Margaret war so aufgeregt, dass sie aufsprang und Isabel kurz in die Arme schloss, ehe sie zu bemerken schien, was sie getan hatte. »Vergebt mir.« Sie errötete. »Ich weiß nicht, was über mich gekommen ist.«
Isabel tat ihre Verlegenheit mit einem Lächeln ab. »Unsinn. Ich habe Euch doch gesagt, dass ich mir schon immer eine
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