Mein ungezähmtes Herz
die Gegend kennt.«
»Wahrscheinlich ist er gelegentlich zu Besuch gewesen«, erwiderte Del.
»Als persönlicher Diener von Ferrar wird er sich von Zeit zu Zeit auch im Haus von Ferrars Vater aufgehalten haben. Angeblich verbringt der Earl of Shrewton den Winter stets auf seinem Anwesen bei Wymondham, vor den Toren von Norwich.«
»Das heißt, Ferrar kennt sich auch hier aus?«, fragte Lucifer.
»Höchstwahrscheinlich. Er ist in Wymondham geboren.«
In dem Moment erschienen die Damen, die etwas später aufgestanden waren, ebenfalls in der Bibliothek. Sie stellten Fragen, schauten sich die Skizze an und betonten immer wieder, dass Sangays Sicherheit garantiert sein müsse, dann verteilten sie sich auf die Sessel und Sofas im Raum. Viele hatten eine Handarbeit mitgebracht, damit sie beschäftigt waren, während sie zuhörten.
Die Männer warteten stumm.
Ungerührt wedelte Honoria mit der Hand.
»Macht nur weiter.«
Nach einem kurzen Blickwechsel wandten die Herren sich wieder dem Schreibtisch und dem Grundriss zu und platzierten sich darauf wie auf einem Schachbrett, dann prüften sie, inwieweit diese Aufteilung ihren Anforderungen entsprach.
»Gar nicht so einfach«, bemerkte Tony.
»Alle Ausgänge zu bewachen ist schon schwierig genug, doch da dieses Oktogon mit dem Altar in der Mitte liegt, brauchen wir mindestens drei Männer – im Achteck selbst
oder ein paar Schritte davon entfernt –, damit Sangay genügend Schutz hat.«
Alle schauten auf die Skizze hinunter.
»Das Oktogon ist genau der richtige Platz für die Übergabe«, sagte Devil.
»Dort haben wir die beste Gelegenheit, denjenigen, der kommt, um die Briefrolle zu holen, zu erwischen – sei es Larkins, Ferrar oder beide. Jede andere Stelle wäre problematischer.«
»Stimmt«, räumte Richard ein, »aber Tony hat recht – wir bräuchten drei Männer, um den Bereich abzudecken. Und es gibt keine Möglichkeit, drei Männer so nah heranzubringen, ohne dass sie entdeckt werden.«
»Verkleidungen.« Gervase schaute Devil an.
»Ich schätze, es ist nicht ganz leicht, ein paar Mönchskutten aufzutreiben, oder?«
Devil ließ den Blick zu Honoria wandern.
»Mönchskutten?«
Seine Frau zog beide Augenbrauen in die Höhe.
»Haben wir, selbstverständlich. In der Kiste für Verkleidungen, glaube ich.« Sie erhob sich.
»Ich geh sie suchen.«
»Ich komme mit.« Catriona lief hinter ihr her.
»Am besten drei«, rief Devil den beiden nach.
Mit einem Winken verschwand Honoria.
Del vertiefte sich wieder in die Skizze.
»Angenommen, wir könnten drei Mönche in Kutten in der Nähe platzieren. Wo genau sollte das sein?«
Nachdem die Männer sich über die drei Standpunkte geeinigt hatten und Honoria und Catriona mit drei passablen
Kutten zurückgekehrt waren, die anprobiert und für gut befunden wurden, legten sie schließlich die anderen Positionen fest. Zuletzt bestimmten sie, wer wo postiert sein würde.
Jeder von ihnen hatte andere Stärken. Letzten Endes beschlossen sie, dass Tony, Gervase und Gyles sich als Mönche verkleiden sollten. Ihre Hauptaufgabe bestand darin, Sangay zu beschützen. Mit einem Seitenblick zu den Frauen fügte Del noch hinzu:
»Um jeden Preis.«
Alle anderen hatten nur ein Ziel, ein Bestreben.
»Wir konzentrieren uns darauf, den zu fassen, der die Briefrolle holen kommt.«
Gabriel runzelte die Stirn.
»Wie wahrscheinlich ist es, dass Ferrar oder sogar Larkins einen Vertreter schickt? Schließlich muss nur irgendjemand einem Jungen eine Briefrolle abnehmen. Es gibt keinen zwingenden Grund, den eigenen Kopf zu riskieren.« Er sah die anderen an.
»Sicher hat Ferrar mittlerweile erkannt, dass Wolverstones Plan darauf abzielt, ihn dazu zu bringen, seine Karten aufzudecken, was ihn unwiderruflich mit der Briefrolle in Verbindung brächte und damit auch mit dem Brief, den er in ihr vermutet.«
Del zwang sich, das Für und Wider abzuwägen, doch schließlich schüttelte er den Kopf.
»Nein. Larkins wird kommen. Ich bin ganz sicher. Ob Ferrar ihn begleitet, sei dahingestellt. Denkt doch mal nach. Larkins ist der Einzige, mit dem Sangay zu tun hatte. Er hat dem Jungen gesagt, dass er in der Kathedrale auf ihn wartet, und meiner Meinung nach wird er sich daran halten, und sei
es nur, um sicherzugehen, dass Sangay die Rolle tatsächlich übergibt, und nicht von einem unbekannten Gesicht abgeschreckt wird und wieder verschwindet.
Außerdem weiß Ferrar, dass der Brief – der echte – ihm die Schlinge um den Hals legt.
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