Mein ungezähmtes Herz
totgeschlagen.«
»Indem Sie eine Einkaufstour gemacht haben?«
»Was hätte ich denn sonst tun sollen? Schiffe betrachten?« Im Nachhinein musste sie allerdings zugeben:
»Wäre vielleicht besser gewesen – Schiffe sind zweifellos viel interessanter.«
»Ich dachte, alle Frauen gehen einkaufen, sobald sie Gelegenheit dazu haben.«
»Ich kaufe nur ein, wenn ich etwas brauche – normalerweise habe ich Besseres zu tun.«
Es war eher der Ton als der Kommentar, der Dels Erinnerung
auf die Sprünge half. Er hatte diese Dame zwar noch nie zu Gesicht bekommen, aber er hatte schon von ihr gehört. In Zeiten, in denen sie – und er – wesentlich jünger gewesen waren. Miss Duncannon war ein echter Wildfang gewesen, der seiner Mutter viel Kummer bereitet hatte.
Deliah bemerkte seine Geistesabwesenheit.
»Was ist los?«
Del sah sie neugierig an.
»Haben Sie Farmer Hansons Bullen tatsächlich eine Glocke an den Schwanz gebunden?«
Deliah kniff die Augen zusammen, dann wandte sie den Kopf ab und schaute nach vorn.
»Ich habe mich schon gefragt, wann Sie darauf kommen.«
Sie schlenderte zum nächsten Schaufenster.
»Haben Sie?«
»Martin Rigby hat behauptet, ich würde mich nicht trauen, darum habe ich es getan.« Sie warf ihm einen finsteren Blick zu und deutete auf das Fenster.
»Haben Sie wirklich keine Ahnung – keinerlei Vorschläge?«
Del schaute die Straße entlang. Von außen sahen die Läden alle gleich aus.
»Nicht die geringste.«
»Dann suche ich mir einfach irgendein Geschäft aus.« Sie schlenderte weiter und blieb schließlich vor einem Fenster stehen, in dem ein einfach geschnittenes, doch sehr elegantes blaues Seidenkleid zu sehen war.
»Keine Kräusel, keine Rüschen, keine Falten. Und ein französischer Name. Das reicht.«
Del ging zur Tür neben dem Fenster und las das Messingschild, das an der Wand angebracht war.
»Madame Latour.« Dann ließ er Deliah eintreten.
Als sie an ihm vorbeiging, murmelte sie:
»Ich habe weder unsere Aufpasser noch ihre Helfer gesehen.«
»Ich nehme an, dass sie in der Kunst der unauffälligen Beschattung ein klein wenig besser bewandert sind als unsere Verfolger. Machen Sie sich keine Sorgen – sie werden schon rechtzeitig da sein.«
Bei ihrem Eintritt hatte eine Türglocke gebimmelt. Da sie direkt vor einer schmalen Treppe standen, begann Deliah, die Stufen hochzusteigen. In dem Augenblick erschien oben an der Treppe eine junge Verkäuferin, die zur Begrüßung lächelnd knickste.
»Guten Morgen, Ma’am. Sir. Bitte folgen Sie mir.« Das Mädchen winkte sie durch eine offene Tür.
»Gehen Sie nur hindurch. Madame wird gleich bei Ihnen sein.«
Es war noch keine zehn Uhr, also ungewöhnlich früh, daher war es keine große Überraschung, dass keine anderen Kunden im Laden waren.
Was allerdings überraschte war die Modeschöpferin selbst, die gerade hinter einem Vorhang hervortrat. Es handelte sich um eine schlanke junge Frau mit blasser Haut, großen, haselnussbraunen Augen und braunem Haar, das zu einem festen Knoten aufgesteckt war. Madame war noch sehr jung – jünger als Deliah. Und nach den ersten freundlichen Worten, die einen starken Akzent verrieten, war offensichtlich, dass sie ebenso wenig Französin war wie ihre Kundin.
Doch Deliah ließ sich nichts anmerken.
»Bonjour, Madame. Ich bin gerade von einem längeren Aufenthalt in Übersee zurückgekommen und brauche dringend ein paar neue Kleider.« Ihrer Einschätzung nach handelte es sich bei Madame um eine junge Dame aus gutem Hause, die aufgrund widriger Umstände verarmt war.
»Was ich in Ihrem Fenster gesehen habe, hat mir gut gefallen. Vielleicht könnten Sie mir zeigen, was Sie sonst noch anzubieten haben?«
» Absolument . Wenn Sie sich hierhersetzen möchten?« Madame deutete auf ein Satinsofa und sah dann zu Del hinüber.
»Und Ihr Gatte ebenso?«
Deliah musterte ihren Begleiter.
»Der Colonel ist ein alter Freund der Familie, der sich netterweise bereit erklärt hat, mich nach Hause zu begleiten.«
Deliah nahm Platz und sah zu, wie Del den Salon durchquerte.
Charmant lächelnd sagte er zu Madame:
»Ich habe versprochen, bei der Auswahl behilflich zu sein.« Mit diesen Worten ließ er sich lässig und elegant neben Deliah nieder und schaute erwartungsvoll zu Madame hinüber.
Die junge Frau erwiderte seinen Blick, als wüsste sie nicht so recht, was sie von ihm halten sollte.
Deliah konnte es ihr nicht verdenken. Del war eine auffallende Erscheinung, und obwohl er
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