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Mein Vater der Kater

Mein Vater der Kater

Titel: Mein Vater der Kater Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Slesar
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Sie, was er macht? Hält ‚ne Kanone auf mich gerichtet! Ich dachte erst, der macht nur Spaß, und war ganz schön überrascht, als er abdrückte – und krach-bumm. Meine Fresse, so eine Kugel fühlt sich an wie ein harter Schlag, ham Sie das gewußt? Ich glaube nicht, daß ich dieses Kleid noch mal anziehen kann, oder was meinen Sie?«
    »Nun mal ganz ruhig bleiben«, sagte der Polizeiarzt und schnitt den kunstseidenen Ärmel auf. »Sie haben ein bißchen Blut verloren, aber die Kugel hat nur eine Fleischwunde am Arm verursacht. Sie sind ein Glückspilz, Mrs. Hanley.«
    »Ein Glückspilz?« schnaubte sie. »Mit ‚nem Mann wie meinem?« Sie richtete den stumpfen Blick ihrer grauen Augen auf den Lieutenant. Der war gerade am Telefon, sprach ruhig. Dann legte er auf und kam zu ihr – er sah aus wie ein Diagnostiker, der schlechte Nachrichten hat.
    »Tut mir leid. Ihnen das mitteilen zu müssen«, sagte er, »aber ein Streifenwagen hat Ihren Mann in der Grand Street entdeckt und ihn aufgefordert stehenzubleiben. Er hat der Aufforderung leider nicht Folge geleistet. Ich be- daure sehr, aber er ist tot.«
    In Mrs. Hanley s Gesicht führten die Muskeln einen Tanz auf, dann entspannte sich ihr Gesicht, und sie stieß einen Seufzer der Erleichterung aus. »Armer Milton«, sagte sie. »Ich nehme an, Sie wollen was über ihn hören?«
    »Ja«, sagte der Lieutenant.
    »Also, Milton, der war im großen und ganzen ein ziemlich gewöhnlicher Bursche, aber ich hab noch nie einen Mann erlebt, der so drauf aus war, Geld zu machen. Ich nehme mal an, daß das der eigentliche Grund für die Schwierigkeiten war, die wir miteinander hatten. Ich meine, Milton war so knickerig, daß er sich in sechs Jahren nicht ein einziges Paar neue Schuhe gekauft hat, und der Anzug, in dem ich ihn begraben werde, der ist schon mindestens neun Jahre alt. – Woll‘n Sie mal was richtig Irres sehn? Dann schauen Sie mal runter in den Keller. Milton besitzt den größten Klumpen Alufolie, den Sie je gesehen haben. Und viele Schachteln voller Schnüre und eine ganze Kiste mit Kronkorken. Fragen Sie mich nicht, wozu, vielleicht wollte er eines Tages das Dach damit neu decken. Ich hab noch nie einen so sparsamen Menschen erlebt.
    Wie auch immer, wir hatten schon seit Jahren wegen dem Geld Streit. Ich hab versucht, mit seinem elenden Lohn so gut hinzukommen, wie ich konnte. Ich bin die Landesmeisterin im Brutzeln, wenn‘s um Resteverwertung geht. Aber ab und zu mußte ich auch mal ein bißchen Geld für mich selbst ausgeben. Ich meine, eine Frau braucht nun mal hin und wieder einen neuen Hut oder ein neues Kleid, sonst verkommt sie.
    Na ja, in den letzten paar Monaten, da wurde es ziemlich schlimm. Wir hatten echt Zoff wegen den Piepen, Milton und ich, und er wurde von Tag zu Tag knauseriger. Einmal bin ich nach so ‚ner Auseinandersetzung abgehauen und mit einem halben Dutzend Tüten aus ‚nem Klamottenladen wieder nach Hause gekommen. Ich muß da so ungefähr fünfzig Dollar ausgegeben haben, nur um ihn zu ärgern, und er ist so in Wut geraten, daß er schon Schaum vorm Mund hatte. Er hätte bestimmt Sachen nach mir geschmissen, aber er war viel zu geizig, um irgendwas zu zerdeppern.
    Ich denke mir, der Streit, den wir gestern hatten, der hat ihm den Rest gegeben. Ich konnte dem Kaufrausch noch nie gut widerstehen, und da kam so ein Staubsaugervertreter an, der hatte rednerisch echt was drauf. Ehe ich wußte, wie mir geschah, hatte ich schon einen Kaufvertrag für ihr schickstes Modell mit allem Drum und Dran an Zubehör unterschrieben. Die Rechnung belief sich auf ungefähr hundertsechzig Dollar, und als ich Milton das erzählte, da sah er mich irgendwie so komisch an, sagte aber nichts.
    Kein einziges Wort. Mir hätte ja klar sein müssen, daß er was Irreres als das gar nicht hätte tun können, und anfangen müssen, mir Sorgen zu machen. Aber ich hab nicht weiter drüber nachgedacht. Und Sie haben ja gesehen, wozu das geführt hat.«
    »Verstehe«, sagte der Lieutenant. »Aber was ich noch gern wissen möchte: Was war das, was Ihr Mann da aus der Zeitung rausgerissen hat? Was hat ihn denn so in Aufregung versetzt?«
    »Das weiß ich auch nicht«, antwortete Mrs. Hanley. »Ich hab‘s nicht zu sehen gekriegt. Es muß echt was gewesen sein.«
    »Haben Sie die Zeitung noch bei sich zu Hause?«
    »Ja, aber sie ist total zerfetzt.«
    »Henry«, sagte der Lieutenant, sich an einen Streifenbeamten wendend, »suchen Sie mal in der Wohnung nach dieser

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