Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mein Vater der Kater

Mein Vater der Kater

Titel: Mein Vater der Kater Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Slesar
Vom Netzwerk:
Beruf kenne, traten mehrere Klubmitglieder herzu, um Watsons Antwort zu hören.
    »Aber ja«, sagte dieser. »Holmes weiß, daß Sie Arzt sind, etwa einszweiundachtzig groß und ungefähr sechsundsiebzig Kilo schwer.«
    »Und wie hat er das ermittelt?«
    »Indem er mich befragt hat«, sagte Dr. Watson und grinste befriedigt, denn seine Antwort hatte seine Zuhörer in ein schallendes Gelächter ausbrechen lassen.
    Für mich war die Sache damit erledigt. Am folgenden Tag informierte ich den Vorsitzenden des Klubs über meinen sofortigen Austritt. Ich hatte genug von toten Kanarienvögeln und fantastischen Detektivgeschichten. Das Abendessen im Klub würde mein letztes sein, der Brandy nach Tisch ein Abschiedsschluck auf meine Probleme. Ich hinterließ eine Nachricht für Dr. Watson, bat ihn, mir meinen Hut in die Wohnung zu schicken, und teilte ihm mit, daß sich der große Sherlock Holmes nicht mehr mit meinem ›Ein-Pfeifen-Problem‹ zu befassen brauche. Ich wolle es selbst dadurch lösen, daß ich mich vom Ursprung des Dilemmas entferne.
    Die Nachricht von meinem Austritt verbreitete sich im Klub mit Windeseile, und ich war überrascht, als ein halbes Dutzend der Mitglieder ihrem Bedauern über meinen Entschluß Ausdruck verlieh, einige mich sogar zum Bleiben drängten. Ich sagte ihnen natürlich nicht, was mich zu meinem Rückzug bewogen hatte. Selbst der Portier und der Ober bedauerten meinen Schritt, und ich gebe gern zu, daß ich einen Schmerz des Verlustes empfand, was beim Abschied von meinem vorigen Klub nicht der Fall gewesen war.
    Ich aß an jenem Abend ein vorzügliches Lachsgericht und konnte nicht umhin, mir einzugestehen, daß die hippokratische Küche hervorragend war, etwas, was ich bis dahin noch gar nicht bemerkt hatte. Mein Cognac nach Tisch war ebenfalls von erlesener Qualität, und als ich mich in meinen Lieblingssessel fallen ließ, wurde mir bewußt, daß er das bequemste Möbelstück war, in dem ich je gesessen hatte. Es kam nicht überraschend, daß ich erst den halben Cognac geschlürft hatte, als sich meine Augen schon zu süßem, willkommenem Schlummer schlössen. Ich träumte von meiner Frau, sah ihr hübsches Gesicht sich besorgt zu mir niederbeugen und hörte sie etwas in dem Sinne sagen, daß ich austrinken und ins Bett kommen solle. »Ja«, sagte ich lächelnd zu ihr, und noch kaum wieder ganz wach, langte ich nach meinem ungeleerten Glas. Aber da rief mir ein Mann in weitem Mantel und Deerstalker etwas zu, kam herbeigeeilt und schlug mir das feine Kristallglas so heftig aus der Hand, daß es durch den Raum flog und schließlich mit einem Laut zersplitterte, der viel zu wirklich war, um noch ein Bestandteil meines Traums sein zu können.
    »Tut mir leid, Lord Pertwee«, sagte der Mann, dessen Gesicht etwas Habichtartiges hatte und der mich aufmerksam ansah. »Ich hatte die Befürchtung, es könnte ein tödliches Gift in Ihrem Getränk sein, wahrscheinlich Holzgeist. Ein Schluck, und Sie wären blind oder tot gewesen. Wir können das vielleicht noch an Hand der winzigen Reste im Cognacschwenker feststellen, aber wichtiger war zunächst, Ihr Leben zu retten.«
    »Wer, zum Teufel, sind Sie?«
    »Mein Name ist Sherlock Holmes«, antwortete er. »Sie kennen meinen Freund Watson schon, und ich muß mich bei Ihnen dafür entschuldigen, daß ich den Ernst Ihrer Lage so lange nicht erkannt habe. Ihr Hut und der detaillierte Bericht, den Sie Dr. Watson gegeben haben, haben mir schließlich die Augen geöffnet.«
    »Mein Hut? Ist das Ihr Ernst, Sir?«
    Er grinste breit. »O nein, Ihre Lebensgeschichte habe ich nicht davon abgelesen. Nur, daß Sie augenblicklich in Kensington wohnen, daß Sie vor kurzem Ihre Frau verloren haben und daß Sie Ihren Adelstitel geheimhalten.«
    »Aber wie, um alles in der Welt, haben Sie das herausbekommen?« fragte ich.
    »Es war ganz einfach, Doktor. Auf dem Hut fanden sich feinste Gipspartikel, und die einzige Gegend Londons, wo im Augenblick umfänglichere Renovierungsarbeiten im Gange sind, ist Kensington. Die Tatsache, daß Ihr Hut schon einige Monate nicht abgebürstet worden ist, deutet auf den plötzlichen Verlust einer fürsorglichen Frau hin. Und falls Ihnen das entgangen sein sollte, Smith & Robinson haben immer den Namen des Besitzers unter dem ledernen Hutband eingestanzt. In Ihrem Falle ›His Lordship Wm. D. Pertwee‹.«
    »Ich ziehe es in der Tat vor, meinen Titel nicht zu benutzen«, sagte ich. »Er schüchtert, wie ich finde, die Leute nur ein.

Weitere Kostenlose Bücher